Heft 
(2024) 118
Seite
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Emilie Fontanes autobiographische Novelle  Möller 15 Emilie war nun in ein Alter getreten, wo die Erziehung eines jungen Mäd­chens die größte Sorgfalt erfordert, und in dieser Zeit von 13 15, wurde sie der Pflege einer Frau anvertraut, die die ungeeigneste zu diesem Posten war. Es war die Mutter der Frau Fontane und als solche dem Herrn K. warm empfohlen. Es fehlte ihr nicht an oberflächlicher Gutmüthigkeit und es war nichts schlimmes wenn sie zu trällern pflegte: Ich bin von Kopf bis auf die Zeh, Die kleine, lust´ge Salomé; 37 [14] aber ihr Humor wurde doch schon bedenklicher, wenn sie in Abwesen­heit des Herrn K. ihrem gepreßten Herzen mit den Worten Luft machte: Wo mag er sein wo mag er stecken Mag er wohl Andrer Liebe schmecken. 38 Liebe war von Jugend auf ihr Lebenselement gewesen; dreizehn Jahr alt, war sie von ihrem späteren Manne, einem alten Schauspiel-Director ent­führt worden und in ihrem 55 Jahre, lange Zeit nachdem sie das Haus von Emiliens Pflegevater verlassen hatte, schloß sie wie die Sage geht, mit ei­nem Kammmacherlehrling in Pirna ab. Der Name dieser Frau war Mad. Sohm . 39 Es hätte weniger Beobachtungsgabe bedurft als E. besaß um wahr­zunehmen, daß alle Bemühungen der Mad. S . darauf gerichtet waren, sich auf jede erdenkliche Weise zur Frau K. zu machen. Sie war nicht nur ausgie­big mit ihren Liebesbeweisen gegen Hr. K. sondern gab sich auch die mög­lichste Mühe Emilien für diesen Heirathsplan zu interessiren. Daß dabei von Erziehung keine Rede sein konnte, versteht sich von selbst. Es ist nicht unwahrscheinlich daß Mad. S . ihren Plan glücklich ausgeführt hätte, wenn nicht ein unerwarteter Vorfall dazwischen getreten wäre. Dieser Vorfall be­stand darin daß E. das Spiel der»kleinen Salomé« eines Tages mehr denn deutlich durchschaute und in plötzlich wach gewordener Entrüstung ihr einen Filzschuh an den Kopf warf. Dieser Akt äußerster Indignation wurde zwar von Hr. K. genügend bestraft, nichts desto weniger hatte er ein Ein­sehn davon, daß nach einer solchen Scene die kleine Salomé nicht länger eine Respectperson sein konnte u. entschloß sich demgemäß sie zu entlas­sen. Mad. S . verließ das Haus. Wenige Monate später unternahm Hr. K. eine Reise nach Sachsen . [15] In seiner Abwesenheit erschien eines Tages eine junge Verwandte bei E. um ihr anzuzeigen, daß sich Hr. K. in Dresden verlobt habe u. binnen Kur­zem heirathen werde. Diese Nachricht machte auf E. einen tiefen Eindruck u. ihre Furcht war so groß, daß sie nun fast bedauerte, nicht früher ihren Papa für die Frau S . geneigt gemacht zu haben, mit der sie doch machen konnte, was sie wollte. Der verlobte Papa kehrte heim und da E. nun beinah 15 Jahr alt war, so beschloß er sie zum Sept. einsegnen zu lassen, nicht erst