14 Fontane Blätter 118 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes und zu spielen, während Theodor über Büchern sitzend, sich oft recht ungalant bei den Störungen der Kinder bezeigte. Hatten sie Abends ein Buch oder dergleichen von einer Schulkameradin zu holen und Frau Fontane schickte sie in die Arbeitsstube der jungen Herren, um sich die Begleitung eines derselben auszubitten, so sprang gewiß Herrmann bereit dazu auf, während Theodor ihm gern den Ruhm des»galanten« über= [12] ließ. Nur Einmal, im Winter, bei Glatteis, machte er sogar den Mädchen das Vergnügen als Schlittenpferd zu dienen, indem er, Abend war es, ihnen erlaubte, sich hinten an seinen Schlafrockzipfel zu fassen und auf der Hucke sitzend, sich ziehen zu lassen. Freilich hatte er den Schelm im Nacken u. als sie beinah wieder zu Hause waren, lief er im vollen Lauf, so daß die Mädchen, erst umgefallen, aufstehen und nachlaufen mußten, während er, als sie Alle wohlbehalten im Zimmer waren, behauptete, er hätte seinen Verlust nicht früher gemerkt. Aber solche Späße machten ihn gerade zum besonderen Freund der Mädchen, während sie von Theodor nichts erlangen konnten, als daß er sie, wenn ihm der Spectakel zu groß wurde, am Ermel nahm und die Thür hinter ihnen verschloß. Seine Aufmerksamkeit konnte Emilie nur fesseln, wenn sie ihm Komödie vorspielte und dies that sie mit Leib und Seele; es beirrte sie nicht daß Rosa in den Scenen die sie aufführte, sich wie ein Stock gerirte, sie war im Gegentheil froh, auch die Rolle die sie der Kleinen zugetheilt hatte, spielen zu können u. benutzte dieselbe nur als Statistin, an die sie ihre feurigen Reden richtete. Sie improvisirte ganze Stücke und ihr theatralisches Talent erschien so groß und erfolgreich, daß Theodor ihr oft versprach, wenn er sie 10 Jahre später auf der Bühne sehen würde, so wollte er und Freund Herrmann dafür sorgen, daß sie Blumen und Kränze des Beifalls erhielte. Aber dieser sehnlichste Wunsch des Kindes blieb unerfüllt. Es vergingen die [13] Schuljahre, die Familie Fontane verließ Berlin , 32 bevor wurde jedoch Theodor noch eingesegnet, und zwar ganz allein in der französischen Kirche, da er am allgemeinen Einsegnungstage krank geworden war. 33 Nachdem die Feierlichkeit vorüber, wurde Emilie hatte derselben auch mit den Verwandten Theodor‘s beigewohnt, und dabei zum ersten Male seine Mutter 34 gesehen. Sie empfang große Hochachtung vor dieser Dame, da sie wußte daß Theodor mit großer Liebe an ihr hing. Bald darauf kam er zu dem Apotheker Rose in der Spandauerstr. 35 in die Lehre, und Emilie durfte ihn dort eines Sontag´s mit seiner Cousine 36 aufsuchen. Sein Empfang entsprach aber nicht ihren Erwartungen; er war verlegen und einsylbig und schickte die Mädchen, mit Gerstenzucker und einigen bunten Pillenschachteln getröste nothdürftig getröstet wieder heim. Dieser Besuch wurde nicht wiederholt und da seine Verwandten Berlin verließen, hörte der unbefangene Verkehr vorläufig auf.
Heft  
(2024) 118
Seite
14
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