16 Fontane Blätter 118 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes zu Ostern, wie es anfangs beschlossen war, aber diese Feier sollte noch vor seiner im Nov. stattfindenden Hochzeit, geschehen. E. trennte sich schwer aus der Pension, wo sie seit einem halben Jahre erst, die 1 te Klasse besuchte, und sich anfing sehr wohl zu befinden. Am Tage der Einsegnung 40 erhielt sie einige Andeutungen von ihrem Pflegevater über ihr Verhältniß zu ihm, aber erfuhr weder wer ihr Vater oder ihre Mutter sei, nur daß das was sie von ihrer zweiten Stiefmutter 41 und den Leuten öfter gehört, wahr sei und sie seine Pflegetochter sei. Diese ganze Mittheilung schien ihm schwer zu werden u. darum drängte E. die Fragen die ihr Innerstes erfüllten, zurück und sie blieb in dem unbehaglichen, unklaren Zustand über ihr Dasein, der immer peinigender für sie wurde jemehr sie zum Bewußtsein und Nachdenken erwachte. Ende November trat sie mit ihrem Papa seine Hochzeitsreise an, dieselbe sollte bei den Verwandten in Dresden gefeiert werden, wozu die Braut mit Eltern und Geschwistern aus Herrnhut herbei eilte. 42 Die erste Begegnung mit der so gefürchteten Braut fand [16] statt und ihr mildes, einfaches Wesen und die freundlichen, lieben Augen gewannen ihr gleich das Herz der künftigen Stieftochter. Die Hochzeit war mit vielen unangenehmen Vorbedeutungen verknüpft: die Legitimations-Papiere waren nicht ganz in Ordnung, die Trauringe waren vergessen und ähnliches mehr. lndeß die Hochzeit erfolgte und am selben Abend noch die Abreise des jungen Paares. Emilie, so war beschlossen, mußte für einige Zeit in Dresden verbleiben und schweren Herzens trennte sie sich von dem geliebten Vater, der mit seiner jungen Frau nach Berlin zurückkehrte. (Fortsetzung folgt.)
Heft  
(2024) 118
Seite
16
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