Heft 
(2024) 118
Seite
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24 Fontane Blätter 118 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Wohnsitz hatte. Hier im Felsschen Hause hatte Therese Rouanet den Oberförster Triepke kennen gelernt und das Glück ihrer zweiten Ehe gefunden. Die Familie Fels war sehr stolz auf eine lange Ahnenreihe. Sie führte ihr Geschlecht zurück bis in die Zeiten des ritterlichen Mittelal­ters und der Kreuzzüge. Die Beziehungen zu den Laroche spielten eine beachtliche Rolle. So war das Familienleben mit Würde und achtbarer Form umgeben. Dem entsprach auch die Lebenshaltung. Im Felsschen Hause zu Liegnitz und später in Jauer gab es immer elegante und geist­reiche Gesellschaften. Junge Offiziere und Beamte kannten keinen an­gemesseneren und fröhlicheren Kreis in der kleinen Stadt. Das Ehepaar Fels stand selbst noch in den besten Jahren und bejahte ein Dasein voll froher Lebenshaltung. Der Haushalt konnte in großzügiger Weise die­sem Lebensstil auch den äußeren Rahmen verleihen. Gastfreundschaft und kleine Hausfestlichkeiten, Musiken und Tanz der jungen Leute wa­ren gern geübte Freuden der Geselligkeit. Es war ein jugendlich sprü­hendes Feuer von Geist und Seele. In diesen Kreis brachte Mutter The­rese ihre Tochter Emilie. Für Emilie war die Übersiedelung aus der engen Berliner Mietswoh­nung in das alte Patrizierhaus am Markt in Liegnitz schon rein äußerlich ein Zeichen für die völlige Umwandlung ihrer Lebenslage. Sie lebte sich schnell ein. Voll wacher Anpassungsfähigkeit machte sie gerne jenen in­neren Umwandlungsprozeß durch, der aus dem Rhythmus einer Schau­spieler-, Gelehrten- und Beamten-Bohème hinüberführte in die elegan­te Gesellschaft einer geistigen Oberschicht des preußischen Lebens, die nach außen hin wenig sichtbar und darum oft verkannt wurde, die aber in ihrem stillen gesellschaftlichen Wirken gerade die besten Kräfte des weltanschaulichen und politischen Aufbaues eines neuen starken Staatswesens entfaltete. Emilie fühlte sich in diesem Kreise besonders wohl. Diese flotte, leben­und geistessprühende Welt entsprach ihrem innersten Wesen. Dich­tung, Musik und Tanz wurden ihr Element.[] Eine in ihrer Schönheit und Eleganz bewunderte junge Dame des Hau­ses, beweglich und ausgelassen, dabei unermüdlich strebend und ar­beitsam, studierend und sich ausbildend, so trat damals Emilie den Be­suchern des Felsschen Hauses entgegen. Dazu empfing Emilie hier in den Kreisen der schlesischen Gutsbesitzer, Beamten und Offiziere auch starke politische Eindrücke. Doch über allem blieben die Tage in Lieg­ nitz für Emilie das große Erlebnis einer freudig im Dasein stehenden Gemeinschaft, die treu zu ihrem Herrscherhause stand und nur um die Entfaltung aller nationalen Kräfte willen neue Bahnen zu beschreiten bereit war. Oft weilte Emilie auch wieder in Berlin bei Kummers oder besuchte die Verwandten in Ludwigslust . 15