Heft 
(2024) 118
Seite
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30 Fontane Blätter 118 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Im gleichen Jahr in die Preußische Akademie der Künste gewählt, bestimm­te ihn deren Senat wenig später, anscheinend auf Intervention von aller­höchster Stelle, zum Direktor der angeschlossenen Klasse für Nachwuchs­künstler. Diese institutionelle Verlinkung führte zu einem Konflikt, der Fontane mehr als alles andere seine Anstellung als Sekretär der Akademie verleiden sollte. Er hatte den Posten 1876 auf Drängen von befreundeter Seite übernommen, gelockt von der Aussicht auf ein festes Gehalt und in der Erwartung, die Akademiegeschäfte ohne allzu große Mühe erledigen zu können. Der ambitionierte Werner aber suchte ihn als Verwaltungsdi­rektor in Anspruch zu nehmen für seine im Aufbau begriffene und perso­nell schlecht ausgestattete Hochschule. Abgesehen von der Arbeitslast hat­te Fontanes»äußerste Abneigung, persönlich oder dienstlich in eine Art Abhängigkeit von letzterem hineingepreßt zu werden«, freilich noch einen weiteren Grund, wie er dem Akademiepräsidenten Hitzig gestand:»Es dient sich schlecht mit sechsundfünfzig unter einem jugendlichen Herrn von zweiunddreißig.« 4 Der Dichter erbat daher, und erhielt schließlich auch, seine Entlassung. Bis es aber soweit war, musste er lange Briefe mit detail­lierten Anweisungen entgegennehmen, die der wenig sensible Werner zu­dem gerne mit dem Hinweis auf seine eigene Überarbeitung schloss:»Be­klagen Sie mich u. seien Sie herzlich gegrüßt«. 5 Vorbehalte gegenüber dem erfolgreichen Maler hegte Fontane auch in künstlerischer Hinsicht. Zwar bekannten sich beide ebenso wie der mit ih­nen befreundete Adolph Menzel zum Realismus, doch die quasi-photogra­phische Detailgenauigkeit von Werners Gemälden widerstrebte Fontane, denn»über die bloß äußerliche Richtigkeit hinaus« gebe es»eine höhere geistige, sich meist mit dem was wir das Poetische nennen, deckende Wahr­heit«, wie es 1874 in seiner Besprechung von»Luther auf einem Familienfes­te« hieß. 6 Was Werner als Sujet bevorzugte, die repräsentative Inszenierung von Macht und Mächtigen, machte ihn in Fontanes Augen zum bloßen»His­toriker mit dem Pinsel«, während Menzel es verstehe,»das historische Ge­präge innerhalb des Genre, das Hineinragen des Großen ins Kleinleben« sichtbar zu machen. 7 Dies war bekanntermaßen, ins Literarische gewendet, auch Fontanes Ambition mit Vor dem Sturm, nämlich in Romanform»das Eintreten einer großen Idee, eines großen Moments in an und für sich sehr einfache Lebenskreise« auszugestalten. 8 Sein Recht auf ein eigenes Urteil ließ er sich jedenfalls auf keinem Felde bestreiten. Als Werner, in einer Zei­tungspolemik von 1883, dem Feuilleton die Qualifikation zur Kunstkritik ab­sprach, nahm der Dichter ohne Zögern Partei für den angegriffenen Karl Frenzel. Der sei schließlich selber Künstler und habe»so viel Bücher ge­schrieben wie Werner Bilder gemalt hat. Werner hat mehr Geld dafür ge­kriegt, ob seine Bilder aber besser sind als Frenzels Bücher ist doch noch sehr die Frage.« 9