»Ehr’ und Beschwer« Muhs 31 Fast schon gleichmütig fand sich Fontane hingegen damit ab, dass»der große Anton v. Werner« 1881 einen von ihm gedichteten Prolog für die Festveranstaltung zum 100. Geburtstag Schinkels kurzerhand aus dem Programm gestrichen hatte. 10 Umso befriedigter registrierte er vier Jahre später ein Kompliment für sein Gedicht aus Anlass von Menzels 70. Geburtstag. 11 Über den Austausch von Höflichkeitsformeln dürfte die Konversation aber schwerlich hinausgegangen sein, wenn, wie aus diesem Anlass, die Fontanes und die Werners einmal in Gesellschaft zusammentrafen. Zu verschieden waren ihre Werthaltungen und die Sphären, in denen sie sich bewegten. Einen gewissen Respekt konnte der Dichter dem Maler aber trotz alledem nicht versagen. Nach einer Debatte im Freundeskreis über die umstrittene Beschickung einer Pariser Ausstellung mit Berliner Bildern zeigte sich Fontane , in einem Brief an seine Tochter Mete wenige Monate vor seinem 70. Geburtstag, entschieden beeindruckt von Werners Einfluss in Regierungskreisen: Es heißt, er wolle Kunst-Minister werden, und ich bin ihm das Zugeständniß schuldig, daß er das Zeug dazu hat.[…] er ist eine ganz eminente Persönlichkeit, Genie ist nicht das richtige Wort, dazu ist zu viel Calcül in ihm, aber er hat große Gaben der Rede, des Ausdrucks, des Haranguirens, noch viel mehr als des flott Malenkönnens[…]. 12 »Correctheit«,»Aufrichtigkeit« und»Worthalten« seien dagegen»lauter Dinge, die Werner belacht oder als indifferent ansieht«. In dieser Hinsicht könne man ihn durchaus mit Bismarck oder Napoleon vergleichen.»Hervorragende Menschen“ seien nun einmal»höchst selten sittliche Größen und Biedermänner.« 13 Fontanes kritische Beurteilung seines Karrierismus und seiner Kunstauffassung wäre Werner vermutlich egal gewesen, hätte er denn darum gewusst, und ihr gespanntes Verhältnis während der Akademiezeit mag er nicht als nachhaltig empfunden oder längst vergessen gehabt haben. Jedenfalls hatte er, wie es sich für einen Hauptmatador im Berliner Kulturleben gehörte, dem allseits beliebten Dichter zu seinem runden Geburtstag gratuliert. Ähnlich unbefangen, wie seine Glückwünsche geklungen haben mögen, konnte sich Fontane jedoch nicht geben. Verglichen mit den am gleichen Tag abgefassten Dankschreiben an Conrad Ferdinand Meyer und Ma ximilian Harden lesen sich seine knapp gehaltenen Zeilen bei aller Verbindlichkeit im Ton doch recht distanziert.
Heft  
(2024) 118
Seite
31
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