Heft 
(2024) 118
Seite
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62 Fontane Blätter 118 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte hand der Kategorie des Alters bei Theodor Fontane zu sondieren bemüht ist. Im Besonderen geht es um den Zusammenhang zwischen der rechtli­chen Regelungsfülle und der zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz des Alters sowie seiner Ausdifferenzierung in Jahreszahlen und darum, wie sich dieser Zusammenhang vor der Folie sozialer, kulturhistorischer und gesellschaftspolitischer Wandlungsprozesse im 19. Jahrhundert hergestellt hat. Dabei wird der Annahme gefolgt, dass kulturhistorisch das Recht als einer der maßgeblichen Beschleunigungsfaktoren den notwendigen Rah­men für eine differenzierte Funktionalisierung des Alters gebildet hat und somit in einem erheblichen Umfang zur Genese der numerisch-kalendari­schen Gliederung des menschlichen Lebens beigetragen hat. Pflichten und Rechte wurden mit einer exakten Altersangabe verbunden; Verhaltenser­wartungen und Rollenzuschreibungen wurden mit einer spezifischen Al­terszahl verknüpft. Durch die rechtlichen Leitplanken wird das genaue Al­ter zu einem Anknüpfungspunkt für vielfältige Regelungen sowie Weisungen neben Vorstellungen und Denkmustern, die allesamt das Ver­hältnis von Individuum und Gesellschaft langfristig organisieren. Am Stechlin wird im Folgenden untersucht, inwiefern Fontane die ele­mentaren Verrechtlichungstendenzen subtil in den numerischen Altersan­gaben literarisch verarbeitet hat und welche weiteren Bedeutungsebenen mit diesen numerischen Altersangaben, d. h. Altersangaben in Form einer exakten Zahl, verbunden sind. Hierbei wird das Recht nicht im juristischen Sinne, sondern der Anteil des Rechts an der Etablierung des numerischen Alters und seiner Funktionalisierung im Allgemeinen beleuchtet. Im Mit­telpunkt des Beitrages stehen die numerischen Altersangaben als Elemente einer stabilen Ordnungsleistung, wobei die Altersstruktur im Stechlin prinzipiell als Garant sozialer Ordnung gelten kann. Zugleich werden an den numerischen Altersangaben jedoch auch konfliktreiche soziale Situati­onen und Unrechtsverhältnisse evident, die im Nachvollzug der Kritik auf eben solche Umwertungsprozesse deuten, die Fontane aufzusuchen bemüht ist. Im Folgenden geschieht dies in einem Dreischritt: Zunächst mit einem engeren Fokus auf Fontanes Rechtsverständnis und den gegenwärtigen, wenn auch schmalen Forschungsstand zur Rechtsthematik bei Fontane (1.), daran schließt ein kursorischer kulturhistorischer Blick auf den Zusam­menhang von Recht und kalendarischem Alter an(2.), bevor zum Schluss ausgewählte numerische Altersangaben aus Der Stechlin 3 auf ihre Bedeu­tungen und Funktionen befragt werden(3.).