Heft 
(2024) 118
Seite
82
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82 Fontane Blätter 118 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Beweis, dass das Correkte nicht gilt.« 78 Und an Anna Witte schreibt er am 18. Oktober 1895:»Da ist nun also Effi. Schenken Sie ihr die Liebe, die sie menschlich so sehr verdient. Von dem Manne, den eine Freundin von mir einen ›alten Ekel‹ genannt hat, wage ich nicht recht zu sprechen. Männer und nun gar wenn sie Prinzipien haben sind immer ›alte Ekels‹. Darin muß man sich finden.« 79 Den zitierten Äußerungen kann man entnehmen, dass Fontane von den überwiegend negativen Beurteilungen Innstettens über­rascht war und dass er sie offenkundig nicht teilen wollte, sondern immer wieder zur Verteidigung Innstettens ansetzt. Besonders deutlich wird das in dem ebenfalls oft zitierten Brief vom 19. November 1895 an den Kritiker Joseph Viktor Widmann , der den Ro­man zwei Tage zuvor in der Schweizerischen Zeitschrift Der Bund rezen­siert hatte. Hier schreibt Fontane :»Was mich ganz besonders gefreut hat, ist, dass Sie dem armen Innstetten so schön gerecht werden. Eine reizende Dame hier, die ich ganz besonders liebe und verehre, sagte mir: ›Ja, Effi; aber Innstetten ist ein Ekel. Und ähnlich urteilen alle.« 80 Noch einen Schritt weiter geht er im Verlauf des Briefes an Clara Kühnast vom 27. Oktober 1895. Hier wechselt er von der Verteidigung zu einer werbenden Sympa­thieerklärung für Innstetten:»Denn eigentlich ist er[Innstetten] doch in jedem Anbetracht ein ganz ausgezeichnetes Menschenexemplar, dem es an dem, was man lieben muß, durchaus nicht fehlt.« 81 In diesen Äußerungen wird sehr deutlich, dass Fontane seine Figur Innstetten vielschichtiger, menschlich reicher und sympathischer sieht und gerne auch von anderen gesehen wissen wollte als es die zeitgenössische, aber auch die nachfol­gende Rezeption in weiten Teilen getan hat. 82 Dieses Parteiergreifen Fonta­nes für Innstetten soll hier ernst genommen und weiterverfolgt werden. Im unmittelbaren Zusammenhang mit Widmanns positiverer Sicht auf Innstetten bringt Fontane in dem eben zitierten Brief dann den Chinesen ins Spiel: Sie sind der erste, der auf das Spukhaus und den Chinesen hinweist; ich begreife nicht, wie man daran vorbeisehen kann, denn erstlich ist dieser Spuk, so bilde ich mir wenigstens ein, an und für sich interessant, und zweitens, wie Sie hervorgehoben haben, steht die Sache nicht zum Spaß da, sondern ist ein Drehpunkt für die ganze Geschichte. 83 Die unmittelbare Aufeinanderfolge der Themen»Chinesenbedeutung« und »Innstettenbewertung« darf die Vermutung begründen, dass es für Fonta­ne eine vielleicht nicht genauso unmittelbare, aber doch eine greifbare und bestimmbare Verknüpfung zwischen der Chinesenfigur und einem po­sitiveren Verständnis von Innstetten gibt. Auch dieser nahegelegte Zusam­menhang soll weiterverfolgt werden. Aus den Selbstaussagen Fontanes er­geben sich somit drei Folgeprobleme oder Fragerichtungen: Erstens: Wie und in welchen Hinsichten kann Innstetten als eine positi­vere Figur verstanden werden?