Heft 
(2024) 118
Seite
163
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Die daheim blieben  Muhs 163 zeichnete Georg Hermanns Schriftstellerei von Anfang an. Das gleiche gilt von sprachlichen Manierismen wie der Nachstellung von Modalwörtern im Satzgefüge, obwohl sich der Text im Ganzen durchaus gefällig liest. In sei­nem Habitus hat der Erzähler allerdings etwas Altväterliches, und was an jungen Leuten auftritt, ist weniger lebensnah gestaltet als die ältere Gene­ration. Wenn der Stil, einmal abgesehen von der oft gewollt salopp gestal­teten Figurenrede, überhaupt weniger kunstvoll ausgefeilt ist als bei Fonta­ ne , mag dies auch mit den Entstehungsbedingungen zusammenhängen. Brieflichen Aussagen zufolge hat der Autor seinen Text direkt in seine Schreibmaschine getippt und, wie einige im Anhang wiedergegebene Fak­similes zeigen, nur relativ wenige handschriftliche Ergänzungen und Kor­rekturen vorgenommen. Die Typoskripte hatte Georg Hermann vor seiner Verschleppung zu­sammen mit anderen Papieren und Wertgegenständen bei holländischen Bekannten in Sicherheit gebracht. Den Großteil seines schriftlichen Nach­lasses, der nach Kriegsende von seiner Tochter Eva nach England überführt worden war, konnte Arnold Paucker später für das New Yorker Archiv des Leo Baeck Instituts akquirieren, wie er 2001 auf einer Georg Hermann ge­widmeten Londoner Tagung berichtet. 2 Bei gleicher Gelegenheit wurde der Organisatorin Godela Weiss-Sussex von Nachfahren des Autors ein noch in Familienbesitz befindliches Konvolut mit Papieren anvertraut, das, wie sich herausstellte, unter anderem die beiden ersten Kapitel von Die daheim blie­ben enthielt. Sie zu edieren und zu publizieren stellte allerdings keine gerin­ge Herausforderung dar. Eine von Gert und Gundel Mattenklott betreute, auf 21 Bände angelegte Gesamtausgabe der Werke und Briefe Georg Her­manns war 2001 mit dem zehnten Band abgebrochen worden. Nachdem aber der Wallstein Verlag auf Initiative von Christian Klein in jüngerer Zeit begonnen hat, Hermanns Werke in Einzelbänden neu herauszubringen, kann sich die Edition des lange verloren geglaubten und unerwartet wie­dergefundenen Romans dort würdig einreihen. In ihrem ausführlichen Nachwort erläutert Godela Weiss-Sussex die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte von Die daheim blieben, wäh­rend eine»Editorische Notiz« Rechenschaft über die Prinzipien der Textbe­arbeitung gibt: Korrektur von offenkundigen Tippfehlern unter Beibehal­tung von Georg Hermann -typischen Idiosynkrasien in Rechtschreibung und Zeichensetzung, Standardisierung der Schreibweise von Orts- und Personennamen, Einfügung von Umlauten, die im Typoskript teils als Vo­kale mit handschriftlich nachgetragenen Pünktchen erscheinen, teils als »ae«,»oe« oder»ue«. Auch der Buchstabe»ß« fehlte auf der holländischen Schreibmaschine und wurde in der Edition statt des ersatzweise verwende­ten»ss« nach den Regeln der damals geltenden Rechtschreibung wieder in sein Recht gesetzt. Im Übrigen hat die Herausgeberin der Versuchung wi­derstanden nachzuholen, was dem Autor selbst versagt geblieben war,