Heft 
(2024) 118
Seite
167
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»Forum Junge Fontane Forschung« 167 Grete hingegen ist der Konflikt zwischen ihrem Gerechtigkeitssinn und dem ihr entgegengebrachten Unrecht so groß, dass eine Anpassung an das System nicht erfolgen kann und die Erzählung in einer Katastrophe endet. Michelle Nießen, Wuppertal Effi Briest als diskrete Melusine Theodor Fontane hat zahlreiche seiner Frauenfiguren als Melusinen inszeniert und somit eine spezifische» Erscheinungsform des Weiblichen« erschaffen. 1 Er verwendete das Melusinenmotiv, in dem die Frau auf die Natursphäre reduziert und von der männlichen Zivilisationswelt ausgeschlossen wird, um sich zu der dichotomen Geschlechterideologie seiner Zeit zu positionieren. Auch die Figur der Effi Briest wird als»diskrete Variante«(Rainer Warning : Die Phantasie der Realisten. München 1999, S. 195) der Sagenfigur aufgefasst, wobei ihre Verbin­dung zum Melusinenmotiv innerhalb der Forschung eher unklar zu sein scheint. Insofern entstand der Bedarf einer detaillierten Prüfung, inwieweit Effi als Melusine verstanden werden kann und welche Funktion sich hinter einer solchen Inszenierung verbirgt. Im Rahmen der dem Vortrag zugrunde liegenden Forschungsarbeit ließ sich Effis melusinische Identität trotz ihrer diskreten Erscheinungsweise mittels eines Figurenvergleichs mit zentralen Fontaneschen Melusinenfiguren eindeu­tig belegen. Bei ihrer Figur handelt es sich, wie bei den Melusinen aus den Fragmenten und Hilde Rochussen aus Ellernklipp, um eine rückwärtsgewandte Variante der Motivverarbeitung: Entsprechend der ideologischen Weiblich­keitsstereotype wird die»Tochter der Luft«(Theodor Fontane : GBA Effi Briest . 1998, S. 7) als Naturwesen inszeniert, indem sie an den Elementarbereich gebunden wird. Außerdem zeugt sie von jenem melusinischen Mangel, der sie in der männlich konnotierten Zivilisationswelt scheitern lässt und ihr das irdische Glück versagt: Ihr» fehlt[] das richtige Gefühl«(Theodor Fontane : GBA Effi Briest . 1998, S. 258) im Kontext von Liebe und Schuld. 2 Sehnsüchtig verstrickt sie sich in selbst geschaffene Verwirrungen, denen sie am Ende zum Opfer fällt. Ihr melusinisches Wesen begründet, dass sie aus der irdischen Welt scheiden und sterben muss und von einer höheren Schicksalsmacht in den Elementarbe­reich zurückgezogen wird. Diese Inszenierung der melusinischen Identität Effis trägt folglich dazu bei, die traditionelle Geschlechterordnung zu perpetuieren. Anders verhält es sich mit der letzten Melusinenfigur des Fontaneschen Œuvres: Melusine von Barby. Im Unterschied zu den anderen Fontaneschen Melusinen stiftet sie keine gefahrbringenden Konflikte und überlebt trotz ihrer Verbindung zum Elementarbereich das Romangeschehen. Als einzige der untersuchten Melusinenfiguren lässt sie sich nicht mehr auf geschlechtsideolo­gische Zuschreibungen reduzieren, sondern beansprucht»den Reichtum dieser Bilder für sich«, um in der Zivilisationswelt zu glänzen und das polare Ge­schlechterkonzept zu durchbrechen. 3 Tanja Bosse, Hamburg