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Die Orgelfrage / beantwortet von Rabbiner I. Nobel in Halberstadt
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welches nur den großen Rabbinen unserer Zeit zu­kommt, gegen deren Meinung meine Worte leer und nichtig sind."**)

Es bleibe nun unausgesprochen, was die dama­ligen jüdischen Reformatoren dazu bewog, sich der drückenden Wucht der halachischen Autorität zu ent­ziehen und den Vertretern des nach Thora und Tradition gesetzlich normirten jüdischen Thatenlebens die auf Verschönerung des Kultus abzielenden Be­strebungen entgegenzusetzen. Es bleibe auch unerör- tert, welchen Werth die angestrebte moderne Form­schönheit in einem Kultus haben konnte, der seinem innersten Wesen nach auf dem Berge Morija seine Heimath und im schriftlichen und mündlichen Thora­gesetze seinen Boden hat. Es war eben eine Sturm­und Drangperiode, in der die Geister der Zeit ur­alte Berge entwurzeln und Libanons Zedern nach allen Richtungen des Zeitgeistes hin verpflanzen zu können glaubten. Es war die Zeit, in der die jüngere Generation der deutschen Judenheit das Be­dürfnis fühlte, sich durch Kunst und Wissenschaft eine würdige Stellung im Staate zu erringen, und in der der Staat der jüdischen Jugend wohl die Hörsäle der Wissenschaft öffnete, aber jedes Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit absperrte. Es war dies die Zeit vor der Emanzipation, da die in der deutschen Judenheit latente Kulturkraft, von sozialen Schranken, eingeengt und ins Ghetto zurückgedrängt, anstatt Kulturarbeit Kultusdienst verrichtete. Die Gleich­machung der Synagoge mit der Kirche sollte mit dazu beitragen, der Gleichberechtigung der Juden mit den Christen den Weg zu bahnen, und jüdische Priester

**) N'121 >121 S. 131.