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Die Orgelfrage / beantwortet von Rabbiner I. Nobel in Halberstadt
Entstehung
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suchten einen Ruhm, vielleicht auch ein Verdienst darin, den jüdischen Aerzten, Juristen und sonstigen Studirten und Aufgeklärten auf diesem Wege voran­zugehen.

Die vierziger Jahre eröffneten den modern gebildeten Juden Deutschlands andere Bahnen. Mit allem Eifer nahmen diese von den ihnen verliehenen Rechten Besitz und übten die mit denselben ver­bundenen bürgerlichen Pflichten. Hatte die Neuzeit die dringende Forderung des Menschrechts verstanden, so folgten die nunmehr zur Menschen- und Bürger­würde gelangten Juden mit Geist und Geschick und dem im frei gegebenen Wettlauf sich steigernden Un­gestüm dem Rufe der Neuzeit. Der jüdische Abge­ordnete, der jüdische Richter, Professor, Rechtsan­walt . . . stellte seinen Mann; doch war dieser Mann nur selten Jude. Immer loser wurde das Band, das die neu geadelten und graduirten, modern ge­bildeten und halbgebildeten Söhne Deutschisraels mit dem Judenthume und seinem innern Leben in Haus, Schule und Synagoge vereinte. Das neue Bürgerbewußtsein erhob sich nur zu oft etwas parvenü­mäßig über das Stammesbewußtsein. Da zeigte es sich, wie gering die Anziehungskraft der in Tempel verwandelten Synagogen mit ihren noch so riesigen und kostspieligen Orgeln war. Dieselben Männer der jüdischen haute vaulée und haute finance, die als Stimmführer der Orgel aufgetreten waren, so­wie das Publikum, in Hessen Namen sie das Wort geführt, sie hatten für all' die Tempelherrlichkeiten und brausenden Orgeltöne weder Auge noch Ohr und höchstens am Versöhnungstage ein Stündchen Zeit. Andere, soziale Interessen hatten diese Kinder ihrer