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Sintflut, eintraten, eine Ansicht, an die noch der Name Diluvium für die obersten Bodenschichten unserer Heimat erinnert. Lin eifriger Anhänger dieser Fluttheorie war Leopold von Buch, der sie noch s837 auf der Neuchateler Naturforscherversammlung gegen die neue Theorie von Agassiz verteidigte.
Auch Goethe hat zu dieser Frage Stellung genommen und die beiden Ansichten, sowohl die plutonische als auch die neptunistische, wegen ihrer Ungeheuerlichkeit verworfen und sich dahin ausgesprochen, daß die Rauenschen Steine wohl auf anstehendes Gestein im Untergründe hindeuteten.
Obgleich diese Ansicht falsch ist, so bekundete sich in ihr zuerst der neue Geist, der in der geologischen Wissenschaft schon vor dem Tode Tuviers seinen Einzug gehalten hatte. Sie begann sich nämlich frei zu machen von den phantastischen Spekulationen und suchte Schritt für Schritt auf -er Erdoberfläche die geologischen Prozesse zu verfolgen, die sich vor unseren Augen abspielen. Dieses so gewonnene Material verwertet sie alsdann für die Vergangenheit, indem sie von der Voraussetzung ausgeht, daß die chemischen und physikalischen Prozesse, die sich auf dem Erdball abspielen, zu allen Zeiten dieselben gewesen sein werden.
Aus der Schweiz, dem typischen Gletscherlande, erhielt die Geologie ganz unerwartet neues Material und neue Anregung zu Arbeiten von außerordentlicher Tragweite für die Zukunft. Schon im Jahre f82f hatte hier ein einfacher Mann namens Vernetz es ausgesprochen, daß die Gletscher in früheren Zeiten eine größere Ausdehnung gehabt haben müßten als gegenwärtig, weil sich erratische Blöcke auf dem Zuragebirge fänden, die ihre Heimat im Gotthard- Massiv hätten. Und im Jahre f840 trat Agassiz mit seiner Theorie von der ehemaligen Vergletscherung der Alpen hervor.
Für die Norddeutsche Tiefebene wurden diese Beobachtungen und Erklärungen wunderbarerweise wenig beachtet, wahrscheinlich, weil der Gegensatz zwischen den Alpen und dem Flachland zu groß ist. Dagegen wurde eine andere geologische Bildung gefunden und ihre Entstehung mit Energie studiert und weiter verwertet, nämlich dieMoränen, jene Wälle aus Schutt, Sand und Ton, welche sich dort, wo die Gletscher aufhören, anhäufen; sie entstehen aus dem Gesteinsmaterial, das die Gletscher auf ihrem Wege von der Firnmulde zum Tale auf und in ihrem Eise angesammelt haben, und das sich beim Abtauen zu einem hohen Wall anhäuft, wenn der Gletscher längere Zeit mit seinem Ende bis zu ein und derselben Stelle sich erstreckt hatte.
Zn diesem aufgeschütteten Material erkannte zuerst L y e l IH unsere mit Feldsteinen durchsetzte Bodenart, den Geschiebelehm, wieder. Die Übereinstimmung beider leitete er vor allem daraus ab, daß die größeren Blöcke auf einer oder mehreren Seiten glattgerieben sind und zugleich eine polierte, gefurchte und gestreifte Oberfläche zeigen. Man sollte daher meinen, daß auf Grund dieser beiden Tatsachen, der Moränenbildung und der Heimatbestimmung der Findlinge, die Zn- landeistheorie schon damals von Lyell hätte ausgesprochen werden müssen.
*) Lyell: Geologie oder Entwicklungsgeschichte der Erde. Berlin lS57. Bd. I S. l6y-