Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1909) Die Natur / von G. Schwalbe ...
Entstehung
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Aber Lyell war ein sehr sorgfältiger Beobachter, Er hatte gefunden, daß die losen Blassen des Diluviums nicht bloß aus diesen Gletscheraufschüttungen bestehen, sondern daß sie daneben noch mächtige Bänke aus geschichtetem Material, nämlich Ales, Sand und Ton, einschließen. Ja, die geschichteten Anteile können oft viel mächtiger werden, als die aufgeschüttete Decke stark ist, und manchmal kann letztere auch ganz und gar fehlen.

wegen dieser geschichteten Glieder des Diluviums griff Lyell zu seiner Treibeis- oder Drifttheorie, indem er ausführte, daß durch das Schmelzen der Eisberge in ruhigem Wasser eine ähnliche Bodenart, wie die Moräne es ist, hervorgebracht werden müsse. Sollte der Abschmelzprozeß aber hier und da und zu gewissen Jahreszeiten durch Strömung unterbrochen und die Ablagerung zerstört werden, so müssen die Materialien im Niederfallen nach ihrem relativen Gewicht und Umfang sich sondern und Schichten bilden. Dadurch werden Über­gänge von Till (Geschiebelehm) in geschichtete Tone, Niese und Sande hervorgebracht werden.

Lyell hatte seine Beobachtungen über den Geschiebelehm und die darunter liegenden Sedimente in England, und zwar an der Gstküste, gesammelt, wo im großen wohl die Lagerungsverhältnisse mit unseren übereinstimmen, wo aber die Nachbarschaft des Meeres ihren Einfluß dahin ausübt, daß sich in den Sedimenten Meeresmuscheln finden, deren Arten noch gegenwärtig in der Nordsee leben. In unseren Ton- und Sandablagerungen des Diluviums finden sich nun aber keine Meereskonchylien, deshalb mußte sich Lyell mit dieser Tatsache abfinden, und zwar tat er das mit folgenden Gründen: in tiefen Meeren fehlen die Testazeen überhaupt, und bei der niederen Temperatur in dem Eismeer waren wahrscheinlich auch die seichten Teile unbewohnbar oder höchstens sehr dünn mit lebenden Wesen bevölkert, wie fern ihm der Gedanke an eine Landbildung lag, geht daraus hervor, daß ihn weder der Fund eines ganzen Skelettes von Nustoäou ^i^nuteus in einer Höhlung der Drift noch das Borkommen von Land- und Süßwasserkonchylien in Nordamerika stutzig gemacht haben. Auch die übrigen geologischen Erscheinungen des Diluviums, wie die Politur und die Schrammen auf hervorragenden Fels­rücken und die gefalteten Schichten über ungestörten, erklärte er durch schrammende bzw. auflaufende Eisberge.

Die Drifttheorie herrschte in Deutschland uneingeschränkt bis in die Mitte der siebenziger Jahre, genau bis zum 9 . November 1875; an diesem Tage erklärte sich der schwedische Geologe T 0 rell nach der Besichtigung der Schrammen von Rüdersdorf für die Vergletscherung der Norddeutschen Tief­ebene. Die Wirkung dieser Erklärung wird am besten beleuchtet durch die Tatsache, daß im XXXI. Band der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Ge­sellschaft vom Jahre ,1879 folgende drei Arbeiten erschienen sind:

1- Beren d t : Gletschertheorie oder Drifttheorie in Norddeutschland?

Die Geschiebeformation Norddeutschlands und

3. 7^ m u n d helland: Aber die glazialen Bildungen der Norddeut­schen Ebene.