Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1909) Die Natur / von G. Schwalbe ...
Entstehung
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Das Inlandeis und der Abschmelzprozeß.

Das Einnehmende an -er Theorie von der Bergletschernng der Norddeutschen Tiefebene war die restlose Erklärung aller Erscheinungen im großen; -och wurde schon vielfach in der Literatur darüber geklagt, daß sie bei der Erklärung von Ein­zelheiten häufig genug versagte.

Wenn sich diese Arbeit nun streng auf den Standpunkt des Tektonismus stellt, d. h. die Entstehung von Bruch und höhe auf die Arustenbewegung der Erdrinde zurückführen will, so muß sie sich noch entscheide» über den Weg, den die Absclnnelz- wässer des Inlandeises am Ende der diluvialen Abschmelzperiode nahmen. Es bleibt nun unter diesen Umständen nur eine Wöglickkeit übrig, nämlick die, daß sie ibren Weg unter dem Eise fanden.

Für diese Ansicht spricht in erster Linie die Ausbildung des Untere n Sandes, d. h. seine Lagerungsverhältnisse. Er besitzt an ein und derselben Ört­lichkeit, wo er in entsprechender Mächtigkeit auftritt, z. B. in den Sand- und Aies- gruben von Ripdorf, in den verschiedenen höhen eine ganz bestimmte Uorngröße und Schichtungsweise. Die untersten Lagen sind kiesig und die oberen werden immer seiner im Aorn. Die Uiesschichten besitzen keine horizontale Anordnung, sondern erscheinen abschnittsweise durcheinander geworfen, d. h. sie zeige» die sogenannte Areuzschichtung, bei der die Lagen nur innerhalb kleiner Partien regelrecht parallel angeordnet sind, wäbrend die einzelnen Fäcker unter sich in verschiedenen Winkel» auseinanderstoßen. Erst die oberen feineren Sandsckickten liegen in parallelen Lage» übereinander.

Die unteren Aiesschickten sind daher in strömendem und strudelndem Wasser mit großer Stoßkraft und wechselnder Strömungsrichtung abgesetzt worden, während der Absatz der oberen Sandschchten in ruhig fließendein Wasser erfolgte. Die Stoßkraft des Wassers bängt ab von seiner Fallgeschwindigkeit und seiner Waste, und erstere wird reguliert durch die Unebenheiten des Bodens und lektere durcb die Anfuhr.

Ich möchte mir -aber die Bergletsckerung und den Abscbmelzprozeß in großen Zügen folgendermaßen vorstellen: Ebe nocb die SkandinavisclM Gletscher die Bord- deutsche Tiefebene erreichten, hatte sie sieb schon völlig mit einer mächtigen Eisdecke, einem selbständigen Inlandeise, bedeckt, wodnrcb ein bedeutender Borrat von festem Wasser ausgespeickiert worden war, der sich denn Abschmelzen seinen Weg, ent­sprechend dem Gefall, unter dem Eise babnen mußte. Dabei erbielt dieser große, vielverzweigte subglaziale Strom durch Spalten und Sickerwäster Sand, Ton, Uies und Geröll aus der Woräne und bildete bierans seine Sedimente. Dieses ver­zweigte System von höblen und Tunnels unter dein Eise läßt sieb an manclxm Stellen noch deutlich verfolgen, nämlich an den wallartigen Aiesrücken, denen man im Schwedischen den Damen Asar gegeben bat. Als in den südlicken Striclxn die Eis­decke abgesckmolzen war, ließ die Zufubr von Wasser nack, und als die Unebenheiten des Bodens ausgegliclv» waren, verminderte sich seine Stoßkraft, außerdem wurde auch in den stck bänscnden Sedimenten eine wachsende Wenge von Grundwaffer fest- gehalten.