Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
55
Einzelbild herunterladen

55

Das Vorhallenhaus.

Neben den geschilderten haustypen haben wir in Brandenburg noch einen weiteren, der mit keinem der anderen zusammenhängt, sondern für sich allein zu betrachten ist. Nach dem architektonisch hervsrtretendsten Merkmal hat man diesen Typus das Laubenhaus genannt. Tr ist aber richtiger, sowohl nach der konstruktiven als auch nach seiner Ent­wicklung, als Vorhallenhaus zu bezeichnen. Leine Verbreitung ist hauptsächlich in der Neumark, sie hat hier aber besonders an der Oder ein dicht zusammenhängendes Gebiet, das nach Norden in das s)ommersche, nach Westen in die Uckermark übergreist. Nach dem Osten wird die Verbreitung zunächst spärlicher, um dann über Westpreußen, wo be­sonders die Umgegend von Deutsch-Krone reich an solchen Vorhallenhäusern ist, mit dem etwas altertümlicheren Gebiet im Kreise Bereut, im Lüden mit dem posenschen zusammen­zustoßen, das sein Zentrum in der Netzeniederung bei Filehne hat. Alle diese Gebiete weisen in der inneren Einteilung Verschiedenheiten auf, die indessen den Typus nicht wesentlich umgestalten.

Die brandenburgischen Vorhallenhäuser zeigen deutlich, daß sie rm Vergleich mit den weiter östlich verbreiteten eine jüngere Entwicklung des Typus darstellen. Dis Giebelseite des häufig zweigeschossigen Hauses ist der Ltraße zugekehrt. Das Dach springt weit vor und wird von Pfeilern oder dicken Holzpfosten getragen, wodurch eine räumlich ganz bedeutende Vorhalle entsteht, unter der sich, meistens in der Mitte, seltener an der Leite, der Zugang befindet. Dieser öffnet einen Gang, der geradenwegs zu dem großen Herdraum führt und die Mitte des ganzen Hauses einnimmt. An den Leiten des Ganges und des Herdraumes liegen Kammern und Ltuben; hinter dem letztgenannten zieht sich der Ltall quer durch das ganze Haus. Der Herdraum selbst verringert sich nach oben zu einem Lchl>ü, der häufig nur aus lehmverkleideten Brettern besteht, auf dem First aber mit einem gemauerten Lchornstein endigt. Türen führen von dem Flur in den Herdraum und von diesem in den Ltall. Auf den ersten Blick hat dieser Grundriß unverkennbar eine große Ähnlichkeit mit dem Dielenhaus. Wenn die Vorlaube durch Zubau oder durch Abbruch verschwunden ist, kann man überhaupt einen Unterschied zwischen einem alten Dielen- und Vorhallenhaus nicht mehr seststellen. Eine Identität beider Typen muß, wie sich das noch ergeben wird, abgelehnt werden. Dagegen hat bei der nahen Berührung zweifellos eine Beeinflussung dahin stattgefunden, daß das Dielenhaus den quergelegten Ltall übernahm, als es sich aus dem Altsachsenhause zu seiner branden­burgischen Londerstellung abwandelte. Auf der anderen Leite ist aber die Vorhalle etwas so Eigenartiges, daß sie um so weniger nur eine kleine örtliche Lpielart darstellt, als sie konstruktiv mit dem ganzen Organismus des Hauses verwachsen ist. Nur eine lange Ent­wicklung kann sie mit dem Hause verbunden, nur ein gleichmäßiges Aussteigen aus ganz bestimmten Vorstellungen heraus sie über ein weites Gebiet in fast derselben Ausgestaltung herangebildet haben. Daß das Haus sich von dem pommernschen und westpreußischen unterscheidet, liegt eben in der Berührung mit anderen Typen, die im Westen häufiger und einflußreicher war als im Osten. Während hier aber das herkömmliche treuer bewahrt wird, ist bei uns mit dem Hause selbst auch im Innern manches verwischt und verändert worden. Wegen seiner Feuergefährlichkeit und vor allem wegen des großen holzver-

»