Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
Seite
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Fachwerk gefallen lassen, das wohl von deutschen Kolonisten eingesührt wurde. In deutschen wie in slawischen Gegenden werden die Gefache dadurch hergestellt, daß zwischen den Pfosten und Riegeln Holzscheite senkrecht eingenutet werden, die mit Strohseilen durch­flochten werden und den Lehmputz tragen. Auf deutschem Gebiete wird die putzschicht geweißt, aus slawischem es kommt das besonders an den Wirtschaftsgebäuden zum Vorschein - wird sie mit einer mehrzinkigen Kelle mit einem Netz von wellenförmigen Linien versehen, die an das charakteristische Wellenornament der wendischen Keramik erinnern.

Beide Bauarten beschränken sich auf das Untergeschoß, während der Giebel immer mit Brettern verkleidet ist. Bei dem deutschen Fachwerk, das übrigens in der Anwendung des Holzes durchaus nicht sparsam ist, sind die Bretter senkrecht angebracht, beim slawischen hat sich eine ganz charakteristische Anordnung herausgebildet. Bis zur Witte des Giebels stehen die Bretter senkrecht; die oberen und unteren Abschlußlinien werden daun durch schräge Schutzbretter hervorgehoben, und die obere Dreieckhälfte wird schließ­lich mit Brettern benagelt, die parallel der Dachschräge laufen und in der Witte Zu­sammenstößen. Ls entsteht auf diese Weise ein äußerst wirkungsvoller Giebelschmuck, der durch die Fugenleisten noch mehr hervortritt. Das ist ein ganz eigenartiges Giebel­dreieck, das vereinzelt den Giebel mit schrägen Linien überzieht (Abb. 52), und das wohl aus der Konstruktion hervorgegangen ist?) D eses so eigenartig ausgestaltete Giebel­dreieck ?ehrt überall wieder, wo einst slawische Stämme gewohnt haben und zeugt dann, wenn Sprache, Sitte und Tracht längst entschwunden sind, noch immer von ihrer einstigen Herrschaft.

Bei dem deutschen Fachwerk wird das Holz durch rote oder mehr noch durch schwarze Farbe hervorgehoben, während der slawische Blockbau auf die Farbe verzichtet. Schutzdächer sind sowohl dem wendischen wie dem deutschen Hause eigen und sind über den Fenstern, Türen und am Giebel angebracht. Bei elfteren finden sich auch Laden, die von außen zuklappen und ein Lichtloch in Gestalt eines Sternes oder einer konventionellen Tulpe haben. Verschiebbare Läden, die in Thüringen häufig sind, hat nur das Haus der Lenzener Wische. Ls liegt in dem Organismus des altsächsischen Hauses, daß es einen zweiten Stock ausschließt. Sowie es aber diesen Organismus ändert, wie in den Gebirgsgegenden des südlichen Hannover oder in Brandenburg bei den Dielen­häusern, zeigt es auch die Neigung zu einer Lrhöhung. Schott im Kreise Ruppin kann man dies beobachten; in der Nuthe-Nieplitz-Niederung ist eilt oberes Halbgeschoß sogar ztl e>ner bestimmenden Regel geworden.

Gegenüber der deutschen Fachwerküberlieferung, die technisch auf einer sehr hohen Stufe steht und große Lntwicklungsmöglichkeiten bietet, ist der slawische Block- und Schrot­bau verhältnismäßig einfach und wohl auch im hausbetriebe geblieben. Der Blockbau, bei dem die viereckig oder rundlich behauenen Balken schwalbenschwanzartig verbunden sind, ist auf das Wohnhaus beschränkt geblieben, während die Wirtschaftshäuser gern im

') Das deutsche Haus hat zumeist keinen Firstbalken. Dagegen scheint das altslawische einen gehabt zu haben, der im Giebelfelde von einer senkrechten Stütze getragen wurde. Diese Stütze gibt den Brettern Halt, die aus diesem Grunde diagonal angeordnet wurden, und daher jenes schräge Muster entstehen ließ.