Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1912) Die Volkskunde / von Robert Mielke [u.a.]
Entstehung
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Schlagregen vom Giebel fernzuhalten, in bogenförmiger Gestalt über diesen vorgezogen (Abb. 24). Die dem Winde ausgesetzten Giebelkanten des Daches werden durch Wind­latten geschützt oder wie in der Lausitz durch eine Strohummantelung, bei der der Hohlziegel anscheinend als Vorbild gedient hat. Ganz besondere Sorgfalt erfordert natürlich die Firstbindung, die durch wagerechte Latten und sorgfältig gebundene Stroh­schauben erreicht wird, die aber auch durch kreuzweis miteinander verbundene Holz­klobenScheren" genannt, oder auch durch einen zweiten aber kürzeren Strohmantel ersetzt wird (Abb. 54 u. 57 ). Zn zierlicher Weise ist diese Bindung in Mödlich durch ein Gestell von Holzklammem hergestellt, die teils mit wagerechten Latten, teils mit einer den ganzen First begleitenden oberen Abschlußlatte in Verbindung stehen.

Zn wendischen Gegenden war, wie schon Leutinger hervorhebt, das Schindeldach gebräuchlich, das jedoch heute auf Aachen beschränkt ist. Was der genannte Schriftsteller von Schiefer berichtet, kann sich nur und das ist auch eine Ausnahme auf städtische Häuser beziehen. Lin geschiefertes Dach in einem gebirgslosen Lande wie Brandenburg würde den, für die bodenständige Gestaltung so empfindlichen Bewohnern doch wohl etwas seltsam vorgekommen sein. Auch der markige Hohlziegel, der auf den städtischen Gebäuden freilich noch bis ins Ist. Jahrhundert hinein im Kampfe mit dem Strohdach - eine immer größere Anwendung fand, fehlt den älteren Bauernhäusern, weil die Technik des Bindens den Bauern geläufig, die Anschaffung der Ziegel jedoch zu kostspielig war, um sie auf dem Lande zu verbreiten.

Das Giebelzeichen.

Nach der landläufigen Meinung, die auch wissenschaftlich zu begründen versucht wurde, ist das Giebelzeichen eine uralte Erinnerung an das Heidentum. Bei einer nüchternen Betrachtung namentlich des reichen Materials, das heute aus allen Gebieten Deutschlands vorliegt, wird man sich solchen Schlüssen zunächst noch abwartend gegen­über verhalten müssen, obwohl die gekreuzten Giebelpferde auf vielen altsächsischen Häusern eine Beziehung auf Wodans heiliges Roß nahelegen. Die Entdeckung einer Hausurne mit Andeutungen von Pferdeköpfen an der Traufe und auf dem First') schien diesen Schluß zu unterstützen. Aber, abgesehen von der durchaus zweifelhaften Erklärung dieser Formen als Pferdeköpfe, wird man auch aus technischen Gründen eine solche Folgerung abzulehnen haben, wenn man dabei auch auf eine liebgewordene Vorstellung verzichten muß. Da das Zeichen mit der Konstruktion des Daches in Verbindung steht, so ergibt sich anscheinend die Gewißheit, daß es erst verhältnismäßig spät aufgekommen ist. Das ältere Strohdach ist sowohl bei den, freilich nicht ganz beweiskräftigen Hausurnen wie auch an den primitiven altsächsischen Bauernhäusern am Giebelende abgeschrägt und bietet keinen Halt für die Anbringung der gekreuzten Bretter. Erst durch die Aufrichtung des walmes und seine Umwandlung in eine senkrechte Giebelfläche, die kaum vor dem l 6. Jahrhundert erfolgt sein wird, ist das Giebelzeichen konstruktiv notwendig geworden.

') Verhandlungen der Ges. f. Anthropologie MS2, S. 22s. Zeitschr. des Harzvereins zsge, S. 22-Z2Z5.