sehr gering gewesen. Nach dem prozentualen Anteil der direkten und indirekten Stützungen für die Agrarproduzenten am Bruttoerlös des Agrarsektors von nur 10% lag Russland bisher hinsichtlich seiner Agrarbeihilfen im unteren Drittel der Reformstaaten Ost- und Mitteleuropas(vgl. EU mit 35%)(HISHOoW 2003, S. 21). Gegenwärtig wird die Diffusion der verschiedenen Formen der vertikalen Integration der Agrarbetriebe (besonders in Form von Agrarholdings) in vielen Regionen unterstützt und zum Teil in letzter Zeit sogar„kampagneartig“ betrieben(SCHULZE 2002, S. 315). Die russischen Agrarholdings stellen Einheitsgesellschaften im Rahmen der Vermarktungskette dar, in der im Gegensatz zur Praxis von Holdings im westlichen Ausland(dort Verwaltungsfunktion) auch die Veredlungsproduktion beteiligt ist und oft eine steuernde Position besitzt(WANDEL 2001). Das Vordringen von Agrarholdings wird gegenwärtig aus vielen Regionen berichtet(KOZLOV 2004, S. 69). Euphorische Stimmen prophezeien sogar, dass die Landwirtschaft Russlands in einigen Jahren in ihrem„Kern“ von einigen Hundert Agrarholdings bzw. Agrar-Industrie-Vereinigungen organisiert sein könnte(zit. b. SCHULZE 2002, S. 315). In der Regel pachteten bisher Investoren im Rahmen der Holdings Agrarflächen von den Anteilseignern, jedoch wird auch die Tendenz spürbar, dass das Management der Holdings die Anteilseigner darauf drängt, ihre Anteile in das Grundkapital der Holdings einzubringen(ebenda, S. 315 f.).
Eine Vertiefung der schon vorhandenen wirtschaftlichen Polarisierung zwischen Agrarbetrieben in Agrarholdings und außerhalb derselben und auch auf räumlicher Ebene scheint sich abzuzeichnen. In diesem Zusammenhang sei auf eine regierungsamtliche Einschätzung gegen Ende der 90er Jahre verwiesen, die unter dem Eindruck der tiefen Agrarkrise von 1998 20% der Großbetriebe Russlands für nicht und 60% nur bei massiver finanzieller Hilfe für„überlebensfähig“ hielt(vgl. SCHULZE 1999, S. 60/61). Ähnliche Proportionen des Leistungspotentials deuten sich in Einschätzungen der ökonomischen Lage zentralrussischer Agrarbetriebe bei NEFEDOVA(2001, S. 325) und in den jüngsten Umfrageergebnissen des Jahres 2003 bei KOZLOV(2004, siehe vorn) an. Agrarunternehmen in peripherer Lage zu den Zentren, oft ohne günstige Bonitäten ihrer Ackerböden und in ökologisch-agronomischen Grenzlagen, geraten eventuell in noch stärkere Marginalisierung.
In einer Gesamtsicht der bisherigen Ergebnisse der Transformation betrieblicher Verhältnisse in der Agrarwirtschaft Russlands zeichnet sich ab, dass Modernisierungsansätze im Sinne von bloßer Übertragung westeuropäischer Verhältnisse auf den russischen Agrarsektor versagen müssen. Es ist offenbar mit einem langfristigen Nebeneinander von vertikal integrierten Großbetrieben mit teilweise kollektiv-geteilten Eigentumsverhältnissen und integrierten großen Fermerwirtschaften auf der einen Seite sowie außerhalb der Integration stehenden Betrieben(kleinere Fermerbetriebe und Hauswirtschaften) mit meist Semi- und Vollsubsistenzcharakter auf der anderen Seite zu rechnen.
4 Zur sozialen Lage ländlicher Haushalte in Russland
Der gesamt- und agrarwirtschaftliche Niedergang in Russland der letzten Jahrzehnte hat extreme Auswirkungen auf die soziale Lage vieler ländlicher Haushalte gehabt. Insgesamt waren die schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Anpassungsprozesse auf dem Lande von einem deutlich sichtbaren Sinken des Lebensstandards der Landbevölkerung begleitet(BONDARENKO 2000, S. 67 ff.). Die wirtschaftliche Lage vieler Landwirtschaftsbetriebe führte gegen Ende der 90er Jahre entweder zur Auflösung vieler Betriebseinheiten oder in den meisten Fällen zur Zahlungsunfähigkeit der Betriebe. Im Jahre 1998 galten fast 90% der Betriebe als konkursnah, Arbeitslöhne und Naturalleistungen der Betriebe an ihre Mitglieder(einschließlich Pensionäre, Beschäftigte im Sozialwesen auf dem Dorfe) blieben zeitweilig oder gänzlich aus. Gleichzeitig schränkten in vielen Fällen auch im Dorf vorhandene Infrastruktureinrichtungen, die nunmehr in kommunales Eigentum übergegangen waren, ihre Tätigkeit ein oder beendeten diese(z. B. Kantine, Krankenstation, Poststelle).
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