Viele Tauſende von zum Teil engbeſchriebenen Aktenſeiten im Geheimen Staatsarchiv legen von dem Ineinanderarbeiten all dieſer Kräfte glänzendes Zeugnis ab; freilich nicht jedem konnte man helfen, und die Witwe des Predigers Schinkel bat vergeblich für ihre fünf unverſorgten und unerzogenen Kinder den König um Bewilligung einer Penſion für die„unglückliche, in Kummer verſunkene Familie!.
Die Arbeiten des Retabliſſements waren gerade beendet, als vom Ende Oktober 1806 an die Franzoſen Herren im Hauſe wurden. Im Frühjahr und Sommer 1808 lagen beſonders viele Truppen hier, da für drei franzöſiſche Regimenter in unmittelbarer Nähe der Stadt ein großes Lager aufgeſchlagen worden war. Die Kloſterkirche wurde als Magazin benutzt und in dem Kloſtergebäude eine Bäckerei eingerichtet, und die Wälder ſchlug man nieder; doch kamen wenigſtens körperliche Gewalttätigkeiten nicht vor. Überhaupt benahmen ſich die Franzoſen im perſönlichen Verkehr, ähnlich wie auch in Brandenburg , durchaus menſchlich. Am 16. Februar 1813 erklärten ſich vier Primaner, unter ihnen der Sohn des Direktors Thormeyer und Friedrich Wilhelm v. Schenkendorf, der ſpätere Landrat, bereit, als freiwillige Jäger einzutreten; 22 andere Schüler folgten ſpäter. Die Durchmärſche begannen um dieſe Zeit, eindrucksvoll wirkte das fromme und ſittliche Benehmen der Schweden , abſtoßend die Roheit der Ruſſen.
Vom Jahre 1814 an ward die Entwicklung der Stadt durch kriegeriſche Zeitläufte nicht wieder geſtört; friedliche Kinderjahre hat der am 30. Dezember 1819 in der Löwenapotheke geborene Theodor Fontane hier verlebt.
Im 19. und 20. Jahrhundert.
Seit 1820 ſtand das 24. Infanterieregiment hier in Garniſon . In den Jahren 1834— 1838 geſtaltete Oberſt v. Wulffen die Schießplätze zu Anlagen um; 1852 verliehen ihm Magiſtrat und Stadtverordnete das Ehrenbürgerrecht.
Das Standbild Friedrich Wilhelms II, deſſen Guß der Bildhauer Profeſſor Tieck als„außerordentlich wohlgelungen und unſtreitig den beſten unter allen den in Berlin bis jetzt veranſtalteten Bronzegüſſen“ bezeichnete, wurde am 26. Auguſt 1829 feierlich eingeweiht. Ende der dreißiger Jahre wurden die Mittel zur Wiederherſtellung der Kloſterkirche vom König bewilligt. Die Einweihung fand in Gegenwart Friedrich Wilhelms IV. am 16. Mai 1844 ſtatt. Am ſelben Tage„trat die Einführung der ſeit vielen Jahren gewünſchten Union beider evangeliſcher Gemeinden ins Leben“.
Der Abſatz von Tuchen hielt ſich noch bis in dieſe Zeit, und die Fabriken von Ebell u. a. behaupteten ihren Ruf. Daneben blühte ein neuer Induſtriezweig empor, die über die ganze Welt verſandten Bilderbogen, die zuerſt von Kühn, ſpäter auch von Oehmigke und Riemſchneider verlegt wurden. Doch leider ſtand die Stadt nicht „unter dem Zeichen des Verkehrs“, ſie litt vielmehr durch die ungünſtige geographiſche Lage zu Berlin , inſofern als die Verlängerung der von Berlin nach Neuruppin geführten Landſtraße weiter nach Nordweſten, im Mecklenburgiſchen , ſich ſozuſagen tot lief, d. h. auf keine irgendwie bedeutende Stadt traf. Wittenberge , im Schnittpunkt der Linie Berlin -Kamburg gelegen, war in dieſer Hinſicht in ungleich begünſtigterer