Teil eines Werkes 
Bd. 1, Teil 3 (1914) Die Kunstdenkmäler des Kreises Ruppin / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz ...
Entstehung
Seite
373
Einzelbild herunterladen

Wuſterhauſen (Pfarrkirche). 373

finden, nämlich die Erweiterung des Chores zu einem Polygon mit Umgang, das an ſeiner Wurzel, oſtwärts vom Langhauſe, mit zwei ſymmetriſch angelegten zweigeſchoſſigen Ausbauten beſetzt iſt. Da derartige Ausbauten anſcheinend anderwärts häufig von Ka­landsgilden errichtet wurden, ſo darf man dieſe Gilde auch wohl hier daran beteiligt denken, zumal vier von ihr begründete Altarlehen urkundlich bezeugt ſind. Der Plan kam zunächſt nur ſoweit zur Ausführung, als es ohne Berührung des beſtehenden Chor­quadrats geſchehen konnte, d. h. man umbaute dieſes mit der neuen Anlage. Sie beſtand aus den erwähnten zweigeſchoſſigen Flügelbauten, der äußeren Umfaſſungsmauer des dreiſchiffigen Chores, welcher wegen der Nähe der dahinter durchführenden Straße nach einem ſehr gedrückten 5/ io Polygon geſtaltet werden mußte, und ſchließlich aus den dazu gehörigen vier freiſtehenden Achteckpfeilern zwiſchen innerem Chor und Umgang. Die Einwölbung der Flügelbauten führte man in beiden Geſchoſſen in zwei kleinen quadratiſchen Jochen aus. Die architektoniſchen Einzelheiten dieſer Bauausführung tragen zum Teil einen geſucht einfachen Charakter, der auf Motive der Frühzeit zurück= greift. Es wird eine breite Profilierung bevorzugt, die jedem Backſtein nur ein einziges Profilglied wie Faſen oder runde Ecke zuweiſt, und eine Umrahmung der Bögen mit einer Läuferſchicht ſowie ein kleines Backſteinformat angewendet, das ſich dem romaniſchen wieder nähert. Die Ausbildung der beiden Kapellenanbauten iſt in Anlage und Architekturformen von der größten Schlichtheit. Ohne Strebepfeiler oder irgend eine andere Gliederung ſteigen die Mauern auf und entbehren ſogar des Giebelabſchluſſes, da das hohe Chordach einfach über ſie hinweggeſchleift iſt. Faſt kellerartig iſt das Erdgeſchoß behandelt mit ſeinen einfachen kleinen quadratiſchen Kreuzgewölben und ihren Trennungsgurten, mit den ſchmalen Stichbogenfenſtern und dem feſten Abſchluß gegen den Kirchenraum, mit dem es nur durch eine kleine Tür in Verbindung ſteht. Die hohen meiſt dreiteiligen Spitz bogenfenſter des Chores weiſen an den Gewänden neben den erwähnten breiten Faſen und Abrundungen namentlich einen Bündelſtab auf(Abb. 351), die Strebepfeiler ſteigen ohne jeden Abſatz an und der glattgeputzte Fries entbehrt des Maßwerks . An der nordöſtlichen Polygonwand kragte man die Kredenz und Piszina etwas aus, um für ihre Niſchen mehr Tiefe zu gewinnen. Die Einwölbung des Chores und damit ſeine Fertigſtellung überhaupt war unter den oben beſchriebenen Umſtänden noch nicht

möglich geweſen. Erſt nachdem man nun den Hauptaltar aufgegeben, die Außen­mauern des einſtigen Chorquadrats niedergelegt und durch reichprofilierte kãmpferloſe Arkadenbögen erſetzt hatte, konnte man zur Wölbung des Ganzen übergehen. Die Birnſtabrippen der im 15. Jahrhundert üblichen Art ruhen auf Kapitellen, die in recht handwerksmäßiger Weiſe mit naivem Blattwerk verziert ſind, ganz ähnlich wie auch die Konſolen im Erdgeſchoß der Flügelbauten. Den Abſchluß des Baues bezeichnete man unweit der Kredenz unter dem Gewölbe mit der aufgemalten Jahreszahl 1474. Es fehlte nur noch an den Durchbrüchen zwiſchen den Seitenſchiffen des Langhauſes und dem neugeſchaffenen Chorumgange, um den ganzen Raum der Kirche in ſeinem jetzigen Umfange für den Gottesdienſt nutzbar machen zu können. Der Dachſtuhl des Chores wurde zwar von dem beſtehenden des Lang­