Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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XLIX
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Geſchichtliche Einleitung. XL IX

durch den Spar- und Unterſtützungsverein für Arbeiter. Beſonders vor dem Plauer Tor entwickelte ſich nach 1880, auch infolge der Errichtung von Kaſernen, ein ganz neuer Stadtteil mit der Harlunger, Marien⸗, Magdeburger und Neuendorfer Straße. Bezeichnend für dieſe neueren, gradlinig, breit angelegten Viertel iſt, daß ihre Häuſer im Gegenſatze zu den vielen im 18. Jahrhundert entſtandenen Ein⸗ oder Zweifamilien­häuſern der Innenſtadt zumeiſt für mehrere Familien zugeſchnitten ſind damals Haus⸗ und Kleinbetrieb, jetzt Groß- und Fabrikinduſtrie! Der Durchſchnittſatz von 84, Perſonen auf ein Haus hat ſich im 19. Jahrhundert auf 121 erhöht.

Im 19. und 20. Jahrhundert.

Die großen Ereigniſſe des 19. Jahrhunderts haben in Brandenburg einen lebhaften Widerhall gefunden. Die in den Kirchen aufgehängten Tafeln mit den Namen der in den Befreiungskriegen Gefallenen legen hiervon Zeugnis ab. Durch die ſtarke Garniſon, ſeit 1817 die Küraſſiere, ſeit 1820 auch wieder Infanterie, und zwar zuerſt ein Bataillon, ſpäter das geſamte 35. Regiment, blieb die Stadt im engen Zuſammenhang mit dem Heer; ſeit 1882 liegt hier auch Feldartillerie.

Stürmiſch ging es 1848 zu: Wahlen zum Landtag und zur National­verſammlung, die Gründung eines konſtitutionellen Klubs, eines Spar⸗ und Unter­ſtützungsvereins für Arbeiter, die Errichtung einer Bürgerwehr, die übrigens bei den Tumulten in der Kurſtraße einzuſchreiten hatte, der Empfang des Prinzen von Preußen bei ſeiner Durchfahrt nach Berlin und endlich die Sitzungen der Nationalverſammlung in der zum Parlamentsſaal umgewandelten Domkirche hielten die Bürgerſchaft in Atem. Ein bleibendes Ergebnis aus jenen Tagen war der aus ſtädtiſchen Mitteln begonnene Bau einer Teilſtrecke der Chauſſee nach Rathenow . Im Jahre 1849 gingen die Wogen der Aufregung wieder hoch, als Bismarck als Kandidat für die Zweite Kammer aufgeſtellt wurde und eine bedeutende Minderheit, nämlich 33 von 68 Wahlmännern, für ihn eintrat. Die Erinnerung an die Zeit Kaiſer Wilhelms J. wird durch zwei Denkmäler auf dem Marienberg , wo einſt Albrecht der Bär ſchon ſein Siegeszeichen errichtet hatte, wachgehalten. Die Spitze der Kuppe krönt, weit­hin ſichtbar, das 1874 1880 nach dem Entwurfe von Hubert Stier errichtete Krieger­denkmal. Etwas unterhalb hat man neuerdings ſchöne Schmuckanlagen geſchaffen; ihren Mittelpunkt bildet die eigenartige, von opferfreudigen Bürgern 1908 ge­ſtiftete Bismarckwarte, eine Schöpfung des Architekten Profeſſor Bruno Moehring und des Bildhauers Hugo Lederer .

So verbinden ſich in Brandenburg in einer innerhalb der Provinz wohl einzigartigen Weiſe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Kirchen legen Zeugnis von der mittelalterlichen Vergangenheit ab, die ſtarke Garniſon iſt ein Ergebnis der Entwicklung, die zur Gründung des heutigen Reiches führte, die Fabrikſchornſteine, die ſich vornehmlich im Weſten und Süden der Stadt erheben, bekunden, daß Brandenburgs Blick auch in die Zukunft gerichtet iſt.

Kunſtdenkm. d. Prov. Brdbg. II. 3. Stadt und Dom Brandenburg . IV.