Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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LX Stadt und Dom Brandenburg .

der Umſchwung im Glauben, die Spannung der Gemüter, die theologiſchen Kämpfe und das drohende Gewitter des großen Religionskrieges dem künſtleriſchen Schaffen für die nächſte Zeit nicht günſtig. Die Baukunſt, die einſt im Kirchenbau ſo gottbeſeelt begonnen und ſich, von ſtolzem Bürgerſinn gehoben, kräftig aufgeſchwungen hatte, ſank durch den Krieg und die Not der Zeiten tief herab. Nur langſam erhob ſich Brandenburg wieder aus dem Elend.

Den Glanz fürſtlicher, höfiſcher Kunſt hat die alte Hauptſtadt des Landes nie in ihren Mauern geſehen, am wenigſten zur Zeit, da er am höchſten ſtrahlte. Die Hoffnungen, die der Stadt Brandenburg auf dem Havelberger Botding v. J. 1170 eröffnet worden waren, hat das Schickſal ihr ſchließlich nicht erfüllt.

Architektur.

Kirchliche Baukunſt.

Das Beſtehen Brandenburgs iſt an Hand der geſchichtlichen Nachrichten bis in das 10. Jahrhundert zurück zu verfolgen. Was aber etwa in der Zeit bis gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts an Bauwerken entſtanden ſein mag, hat keine ſichtbaren Spuren hinterlaſſen, und noch für lange Zeit, wohl für immer, werden es offene Fragen bleiben, wie die Wenden damals hier gebaut haben, wie der 366 Dom, die urſprüngliche Marienkirche beſchaffen geweſen ſind.

Aus dem weitläufigen Gebiete der Vermutungen treten wir erſt gegen 1140 einigermaßen auf den feſten Boden einer Kunſtgeſchichte, für die noch vorhandene Reſte als Belege dienen.

Die Kirche als Trägerin der Bildung und Kultur übertrug bei ihrem Vordringen in die Mark auch die überlegene Kunſt Weſtdeutſchlands in das vorher ſo armſelige Wendenland.

Die rührigſten Vorkämpfer im Dienſte der Kirche waren die. Mönchsorden des 12. Jahrhunderts, die Prämonſtratenſer und Ziſterzienſer , von denen jeder eine Schar von baukundigen Laienbrüdern als Hilfskräfte für die Aus führung der kirchlichen Bauwerke mit ſich führte.

Es war die Zeit, wo der romaniſche Bauſtil bereits auf der Höhe ſeiner Entwicklung ſtand, wo man im alten Kulturlande, im Weſten und Süden des Reiches, neben herrlichen gewölbten Domen ſelbſt ſchon mancherlei weltliche Bauwerke in monumentaler Faſſung erſtehen ſah.

Die Ausgeſtaltung der Kirchen hatte dort ſeit dem Beginn des neuen Jahrtauſends bereits bedeutende Fortſchritte gemacht. Ihr Weſtbau war von der aus einem Mittelbau und zwei ſeitlichen runden Treppentürmen gebildeten Gruppe durch Hinausſchieben und eckige Geſtaltung der Türme zu einer zweitürmigen Faſſade mit dazwiſchen liegender Vorhalle übergegangen und hatte damit einen Aufbau erlangt,