Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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LXVIII Stadt und Dom Brandenburg .

auch dem Dome zuſtatten kommen. Einſchneidender aber noch wirkte die innere An­ordnung der Marienkirche auf die Kathedrale. Die Anlage ihrer öſtlichen Em por­kirche über einer ebenerdigenKluft wird, wie man vermuten darf, die Anregung dazu gegeben haben, in der Kathedralkirche das Presbyterium mit dem Hauptaltare ſamt dem Sängerchor(in der Vierung) und der Sakriſtei auf die Höhe des Dor­mitoriums zu legen und darunter die Krypta anzuordnen.

Die Kirchen der Prämonſtratenſer waren, wie bereits bemerkt, wohl unter dem Einfluſſe der Hirſauer Baumeiſter meiſt ohne Krypten errichtet worden. Doch ſcheint um die Wende des 12. Jahrhunderts hierin ein Wandel der Anſchauungen eingetreten zu ſein, denn die nachträgliche Einrichtung einer Krypta unter Hochlegung des Chores im Brandenburger Dome ſteht nicht vereinzelt da. Trotz einiger wider: ſprechender Anſichten iſt fie auch für Jerichow augenſcheinlich; ja der gleiche Vor­gang ſteht feſt für das wichtige Prämonſtratenſerkloſter Strahow bei Prag , das ſeit dem 30 jährigen Kriege die Gebeine des Ordensſtifters birgt. Hier wurde der 1143 gegründeten Pfeilerbaſilika erſt im Jahre 1182 eine Krypta eingefügt und gab dadurch zur Erhöhung des Chores Anlaß.)

In der Baugeſchichte des Domes iſt auf die ſchroffe Scheidung des Chores von der Laienkirche hingewieſen. Der an der Weſtſeite der hochaufſteigenden Abſchlußwand aufgeſtellte Laienaltar konnte das Verlangen des Volkes nach möglichſt innigem Anteil an den gottesdienſtlichen Vorgängen im Chore kaum befriedigen. Der dieſe Um­wälzungen im Dome herbeiführende umfaſſende Umbau zeigt die Brandenburger Baukunſt auch in formaler Hinſicht auf erheblich fortgeſchrittener Stufe; ein merk­würdiges Gähren geht durch die Maſſen und Gliederungen. Der Backſtein erreicht faſt ſeine größte Stärke, mit ihr wächſt die Kraft und Wucht der Formen. Starke Rundſtäbe, ſo dick, wie ſie der Stein nur hergeben will, werden bevorzugt. Auch die Säulen beginnen eine größere Rolle zu ſpielen. Für ihre Baſen und Kapitelle greift man noch immer zum Sandſtein, ihre Formen werden freier, und die Bereicherung der Schmuckteile nimmt in raſchem Aufſchwunge zu.

Alles iſt im Wandel und Übergange zu einer neuen Auffaſſung der Archi tekturformen und Konſtruktionen. Die Bögen häufen ſich: der altehrwürdige Rundbogen nimmt ſeinen jugendlich kecken, aber tragkräftigen Nachfolger ſchon häufig zum ſpielenden Begleiter, bis er ihm ſchließlich ganz das Feld räumt und die ſchwerſten Laſten aufbürden läßt. Hand in Hand damit geht die Scheitelverſtärkung der Bögen, namentlich an Portalen; doch auch die verſtärkende und umrahmende Flachſchicht lebt noch fort. Gleichzeitig mit dem immer größeren Gefallen am Spitzbogen entſteht die Neigung zu anderen eckigen Formen, z. B. übereckgeſtellten Quadraten für Fenſter (Abb. 51) und Blenden(Abb. 241 oben). So geſellte ſich ſchon bei St. Nikolai der Rautenfries zum einfachen und verſchlungenen Rundbogenfries. Er wird auch am

) Wir find äber dieſen Vorgang gut unterrichtet durch die zuverläſſige Nachricht:»ecclesia secundarie dedicata est.... et hac de causa, quia majus altare motum et chorus fuerat suble­vatus(Font rerum Boh. Il, S. 48).