Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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XClI Stadt und Dom Brandenburg .

Jeruſalem , laſſen dies beſonders deutlich erkennen. Die Verwandtſchaft mit der etwa 100 Jahre älteren Darſtellung des Vorgangs in den Moſaiken der Capella Palatina in Palermo iſt faſt noch größer als mit der im Dome zu Gurk, die etwa gleichzeitig iſt. Die kompakte Gruppe der Jünger, der Palmbaum mit den Knaben darin, die Wohnung der in der Tür ſtehenden Juden finden ſich hier in gleicher Reihenfolge und Anord­nung, ja ſelbſt die Haltung und der Gang der Eſelin ſowie die einzelnen Bewegungs­motive der die Kleider ausbreitenden Jugend ſtimmen überein. Das Eigene des nordiſchen Malers macht ſich indeſſen geltend in der gewiſſenhaften Wiedergabe des Beiwerks, beſonders des Handwerkszeugs(Beil) und aller Attribute von handgreif licher Art(Schlüſſel des Petrus ), zu denen namentlich die nirgends vergeſſenen Spitzhüte der Juden zählen. Aus den weitgeöffneten Augen ſpricht die ſtarke Spannung des Gemüts, ſelbſt bei ruhiger Körperhaltung. Doch beinträchtigt das Streben nach Deutlichkeit und kräftigem Ausdruck in den Köpfen wie im Faltenwurf der Gewänder die Schönheit und den Adel der Zeichnung, welche einen hervorſtehenden Zug der Vorbilder ausmachen. Die beiden Codices im Dome mit ihrem farbig figuralen Schmuck blieben für alle Zeit ohne Nachfolge in Brandenburg , wenn wir nicht annehmen wollen, daß beim Brande der Bibliothek des Kloſters oder im Dreißigjährigen Kriege Erzeugniſſe dieſes Kunſtzweiges zugrunde gegangen find.

Im Anſchluß an die Malerei ſei hier des prächtigen Gobelins(Taf. 14) gedacht, der den Chor der Gotthardtkirche ziert. Durch den Gegenſtand der Darſtellung, die Jagd nach dem Einhorn, ſteht er zwiſchen zwei in der ſpätmittelalterlichen Gobelin­weberei gleich beliebten Gattungen von Vorwürfen; ſie beſtehen einerſeits bis ins 15. Jahrhundert in Gruppen von einzelnen Figuren und Fabeltieren, andrerſeits gegen Schluß des 15. Jahrhunderts in Darſtellungen aus dem höfiſchen Leben, wie z. B. Szenen aus Jagd, Turnier und Spiel. Die Tracht iſt die des 15. Jahrhunderts und deutet auf das Rheinland oder Frankreich .

Die große, als Altardecke gebrauchte, farbige Leinenſtickerei im Antiquarium des Domes iſt als ein ſeltenes Stück mittelalterlicher Nadelmalerei zu ſchätzen und vielleicht in einem der märkiſchen Nonnenklöſter entſtanden. In dem altertümlich ſtrengen Entwurf herrſcht noch der Kreis als Grundform, wie einſt allgemein bei romaniſchen Teppichen und Behängen ſowie vielen byzantiniſch-romaniſchen Gewebe­muſtern. Trotzdem darf der Behang früheſtens ins 13. Jahrhundert geſetzt werden.

In der Mark wohl einzig daſtehend iſt die Sammlung der mittelalterlichen liturgiſchen Gewänder und Stoffreſte, welche teils im Antiquarium, teils in der Sakriſtei des Domes aufbewahrt und durch einige Stücke in der St. Gotthardtkirche vermehrt wird. Sie enthält Kaſeln, Dalmatiken, Pluvialen, ja einige ganze Kapellen, doch nur aus ſpätgotiſcher Zeit, wo ihre Entwicklung bereits abgeſchloſſen war, aus dieſer aber in um ſo glanzvollerer Vertretung. Einige der Kaſeln ſind beſonders durch reiche Seiden- und Goldſtickerei ausgezeichnet. Die Stoff mu ſter reichen bis ins 14. oder gar 13. Jahrhundert zurück. Zu den älteſten zählen einige jener aus ſüditaliſchen Webereien ſtammenden Stoffe mit Muſtern von ſarazeniſchem Charakter, die entweder in Streifen(Abb. 224) oder in Gruppen mit ſenkrechter Symmetrie­