Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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CVI
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Entſtehung der Neuſtadt.

Der Markt.

Alteſte Straßen.

Umfang im 13. Jahrhundert.

CVI. Stadt und Dom Brandenburg.

das faſt gleichzeitige Aufblühen beider Anſiedlungen nötigen zu der Annahme, daß die Neuſtadt nicht als Filia der Altſtadt, ſondern als ſelbſtändige Gründung neben der Burginſel entſtanden iſt. Der alte Handelsverkehr über dieſe hin ſchuf ſie zur Handelsſtadt. Überdies hinderten die für Ackerbau untauglichen Brüche, welche ſie im Oſten, Süden und Südweſten umſchloſſen, von vornherein den Betrieb von Landbau. Durch dieſe eigentümlichen Grundlagen ihrer Entſtehung kam die Neuſtadt bald in ein ausgeſprochen gegenſätzliches Verhältnis zur Altſtadt, das in der Folge für beide eine langanhaltende unheilvolle Wirkung erhielt.

Über die Art und den Umfang der Gründung ſind die Meinungen bisher ziemlich übereinſtimmend geweſen. Adler(Jahresber. d. Hiſt. Ver., 1870, S. 6) er­ſchien die Neuſtadt nicht naturwüchſig nach und nach, ſondern nach einem beſtimmten Plane in ihren Hauptteilen auf einmal entſtanden. Auch P. J. Meier(Hiſt. Ver. 1908, S. 24) glaubt, daß fie durch einmalige Tat gleich von Anfang an planmäßig nach Umfang und Straßeneinteilung angelegt wurde. Immerhin dürften Zweifel an dieſer Auffaſſung, die durch keinerlei beſtimmte Nachrichten geſtützt wird, zuläſſig ſein. Es dürfte ſich vorerſt doch nur um die Feſtlegung des Hauptſtraßenkreuzes, um die Anordnung von Markt und Kir dhplatz gehandelt haben. ­

Der Markt bildet nur eine Erweiterung jener alten Handelsſtraße, die in die Steinſtraße auslief; das Rathaus erhob ſich am ſüdweſtlichen Ende des Marktes, gerade gegenüber der Steinſtraße und fing ſo den Durchgangsverkehr ge­wiſſermaßen auf. Die geradlinige Verbindung ſeines Einganges mit dem Marienberge und der Altſtadt an deſſen Fuße gab die Richtung für die zweite Hauptſtraße der Stadt, die auf dieſe Weiſe die Havel in kürzeſter Linie durchquerte und mit der erſten ein Kreuz bildete. Als im Jahre 1196 Markgraf Otto die Neuſtadt dem Erzſtift Magdeburg als Eigentum überließ, beſaß fie ohne Zweifel bereits Markt­recht und Pfarrkirche. Zu dieſer hatte er wahrſcheinlich ſelbſt den Grund und Boden angewieſen, da ſie noch bis zum Jahre 1305 unter dem Patronate der Markgrafen ſtand. Neben dem Hauptſtraßenkreuz gehören wohl die Gr. und Kl. Münzſtraße zu den älteſten der Neuſtadt; ſowohl wegen ihrer Lage, als wegen des hohen Alters der ſchon früh genannten Brandenburger Münze.

Iſt es nicht möglich, den Umfang der Stadt gegen 1200 genau zu umgrenzen, ſo laſſen ſich für die infolge ihres Aufſchwungs durch zunehmenden Gewerbefleiß und dauernd günſtige Handelsverbindungen im Laufe des 13. Jahrhunderts erfolgte Aus­dehnung ſchon eher einige Anhaltspunkte gewinnen. Allem Anſchein nach erreichte ſie gegen deſſen Ende einen Umfang, der in der Nordhälfte durch die Lindenſtraße, das Mühltor und die Deutſchdorfſtraße bezeichnet wird. Die Südhälfte war im Weſten durch die Wollweberſtraße, im Oſten durch die Abtſtraße begrenzt; ihre da­malige ſüdliche Grenze iſt zwar in Wirklichkeit jetzt verwiſcht, aber in dem Plane von 1716 noch durch Rückſprünge, Knicke und andere Unregelmäßigkeiten der Häuſer fluchten an der Kur- und Steinſtraße merkbar. Der Zug der Mauer muß der Büttel­ſtraße benachbart geweſen ſein, da dieſe nach dem ſtädtiſchen Scharfrichter benannt war und die Scharfrichter gewöhnlich nahe der Mauer, oft in einem der Mauertürme