Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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St. Nikolaikirche. 87

formate nicht aus einem Guſſe iſt, zeigen ſie in bezug auf die Formgebung namentlich gegenüber dem Langhauſe mit ſeinen kräftigen, ausgewachſenen Formen den gemeinſamen Charakterzug einer zaghaften, etwas kümmerlichen Zierlichkeit. Geradezu überraſchend iſt der Mut, mit dem der Meiſter bereits oblonge Kreuzgewölbe plant. Um ſo auffallender aber iſt ſeine Unkenntnis in der Vorbereitung von Bogenfrieſen. In dieſem gebräuchlichſten aller romaniſchen Geſimsmotive fehlt es ihm anſcheinend völlig an Erfahrung. Von Fall zu Fall bedächtig fortſchreitend, findet und ſchafft er durch die eigenen taſtenden Verſuche am Bau ſelbſtändig weſent­liche Einzelheiten und Löſungen, ohne immer vor Mißgriffen bewahrt zu bleiben. Wenn derartiges in Brandenburg , einem der Mittelpunkte deutſcher Kultur im Wendenlande geſchah, ſo muß man ſchließen: es beſtand anſcheinend beim Beginn der Nikolaikirche in Burg- und Altſtadt-Brandenburg noch kein fertiger Backſteinbau, an welchem der Meiſter für einzelne Löſungen ein Vorbild finden konnte. Die Oſtteile der Luckeberger Kirche bilden ein Werk, das im Formalen völlig den Charakter der Studie trägt und wenn es geglückt iſt, doch gewiß nicht auf ſicherer Beherrſchung der Mittel beruht oder aus langjähriger Erfahrung hervorgegangen iſt. Man darf es vielmehr als eine der ſchon öfter vermißten, weniger vollendeten Anfangsleiſtungen des märkiſchen Backſteinbaus betrachten.

Die erſte Backſteinkirche verwandter Gattung im Elbgebiete, deren Datierung aller­ſeits anerkannt wird, iſt die Dorfkirche zu Schönhauſen (1212). Zieht man die zweifels­freie Sicherheit in Betracht, mit der dort Liſenen angelegt und Geſimsbildungen vorbereitet ſind, ferner die faſt überreiche Mannigfaltigkeit an allen Arten von Bogenfrieſen und deren Verbindungen mit Konſolgeſimſen und deutſchen Bändern, ſo ergibt ſich daraus ein unzweifelhafter Rückſtand für St. Nikolai. Um dieſen Rückſtand einer dem Brandenburger Domkapitel gehörigen, am Rande der Hauptſtadt des Landes errichteten Kirche einigermaßen zu erklären, erſcheint es unumgänglich, ihre Entſtehung um Jahrzehnte vor die der Dorfkirche zu Schönhauſen zu verſetzen. Für ihren Beginn gibt das Backſteinformat ihrer oben geſchilderten Anfänge nur einen ungefähren Anhalt ; es ſteht mit höchſtens 271328 em den romaniſchen Formaten am Dome nahe und würde damit ebenfalls auf die Zeit vor 1200 weiſen.

Die aus den Urkunden zu ziehenden Schlüſſe ſtehen mit der aus dem Bauwerk ſelbſt gewonnenen annähernden Datierung gut in Einklang. In der i. J. 1166 von Biſchof Wilmar ausgeſtellten Urkunde, welche die Befugniſſe des Domkapitels beftätigt, werden den Prämonſtratenſern die Kirchen der Parochie Parduin, die den ganzen rechts der Havel belegenen Teil Brandenburgs umfaßte, zugewieſen, als ſolche aber allein die Gotthardkirche angeführt mit dem Zuſatze, daß etwa künftig dort noch zu errichtende Kirchen ebenfalls dem Domkapitel unterſtehen ſollten(si quae aliae ecclesiae.. fuerint in posterum edificatae Riedel Vlll, S. 107). Sieben Jahre ſpäter bei einer ähnlichen Beſtätigung ſeitens Biſchof Siegfrieds wird dann neben der Gotthardkirche in Parduin bereits St. Nikolai aufgeführt mit dem gleichen Zuſatze bezüglich anderer etwa ſpäter noch zu errichtender Kirchen(Riedel VII, S. 109). Hiernach kann die Nikolaikirche nicht vor 1166, muß aber zwiſchen 1166 und 1173