Mitte des Obergeſchoſſes, deſſen Abbild uns eine Schießſcheibe im Neuſtädter Schüßenhauſe von 1818(Abb. 91) bewahrt hat und der feine Verwandtſchaft mit dem am ehe— maligen Karpzowſchen Hauſe von 1563(Abb. 118) nicht verleugnet, nicht am wenigſten aber durch die liſenenartigen Pfeiler und die ſtraff geſchwungenen Kantenlinien ſeines Giebels, deſſen Dachrinne in einem Drachenkopf ausmündete. Um jene Zeit, nämlich 1569, errichtete der neuſtädtiſche Ratsbaumeiſter Stephan Remer oder Riemer durch „beforderunge“ des Bürgermeiſters Lucas Scholl auf dem Dache des Hauſes ein „thurmlein“(Stadtarchiv Cod. N 5, fol. 25) und ihm dürfen wir daher auch wohl die Ausführung des Giebelanbaues zuſchreiben.
Einigen Andeutungen zufolge, die wir Fromme(a. a. O.) darüber verdanken, war das Türmlein von beſcheidenerem Umfange als ſein Nachfolger, ohne„Gänge und doppelte Sturmhauben“, aber dem zeitgemäßen Bedürfniſſe nach einer Uhr entſprach es vollkommen durch ſeine vier„Spieren“ außen und die zugehörigen Glocken im Innern. Überdies erhielt die durch den Querbau entſtandene Gebäudegruppe durch den Turm einen bedeutſamen Abſchluß. Die neu gewonnenen Obergeſchoßräume beſtimmte man für die Kämmerei und das Archiv. Zu ihnen gehörte der erwähnte Runderker, der von maleriſchem Schmucke begleitet war. Dieſer beſtand in einem angehefteten Tafelgemälde und einer Freskomalerei. Die Tafel ſtellte nach Pſalm 85 Vers 11„die Glückſeligkeit eines wohlbeſtallten Regiments“ derart dar,„daß Güte und Treue ein— ander begegnen, Gerechtigkeit und Friede ſich küſſen?“. Das„in blauen Farben“ gemalte Fresko führte die Geſchichte von dem Vater und dem Sohne mit dem Sie vor, die es keinem zu Danke machen können.
Anregungen zur Verbeſſerung des Wein- und Bierausſchankes der Städte in den Ratskellern datierten ſchon von 1515 her, wo Kurfürſt Joachim verordnete, daß die Stadtkeller zu jeglicher Zeit mit guten Weinen und Bieren verſorgt ſeien,„damit der Wandersmann gut Getränk und volle Maß um einen billigen Pfennig bekommen möge“(Corpus constitutionum Vl, Nachleſe 4, Polizeiordnung der Städte von 1515). Auch Brandenburg hatte das Ausſchankrecht; ſo erhielt denn der Ratskeller bei Ge— legenheit des neuen Anbaus in dieſem ſeine Räume und ſeinen Eingang, wo„eine verdeckte Kellertreppe herausgebaut“ war. Er führte(nach Fromme⸗Gottſchling S. 46) den Namen„Zerbſter Keller“, weil darin vornehmlich Zerbſter Bier verſchenkt wurde.
Dritte Bauzeit. Fromme ſtellt in feiner Nomenclatura(ed. Gottſchl. S. 44) die Frage:„Dieſe große aufgeführte Gebäude(magnifice haec in altum surgentia aedificia) werden gewiß noch zum Rathauſe gehören?“ Seine bejahende Antwort läßt unzweideutig erkennen, daß er die beiden Giebelbauten an der Südoſtſeite des alten Baues im Sinne hat. Demnach beſtand damals(1679) auch der ſüdliche von beiden ſchon, der ſich von ſeinem älteren Nachbar durch ſpätere Profilierung und kräftiger geſchwungene Kanten merklich unterſcheidet und etwa um 1660 erbaut ſein wird.“ Nicht lange danach, i. J. 1674, wurde der Turm in einer feiner jetzigen ähnlichen Geſtalt erneuert.
2.
) Wernicke(in Bergau S. 276) ſetzt beide Giebel irrtümlich in das Jahr 1720.