Rathaus der Neuſtadt. 161
Vierte Bauzeit. Die im Turmknopf des Nathauſes aufgefundene Urkunde berichtet, daß der(vor etwa 40 Jahren errichtete) Turm i. J. 1715 wegen Baufälligkeit niedergelegt und i. J. 1723 nach inzwiſchen erfolgter Vereinigung der beiden Gemeinweſen von Alt- und Neuſtadt wiederum ähnlich dem früheren, neu errichtet wurde. Da dieſer Bericht im Knopfe nur vom Turme, ſonſt aber von keiner weiteren Veränderung des Rathauſes ſpricht, ſo bleibt es zweifelhaft, ob die erſichtlich im Laufe des 18. Jahrh. an dem Gebäude vorgenommene umfaſſende Umwandlung des Außeren damals geſchehen iſt, doch wird ſie allgemein in dieſe Zeit verlegt. Bis zu ihr hatte alſo das Rathaus im weſentlichen noch den mittelalterlichen Charakter und die putzfreie Backſteinarchitektur mit ihrer farbigen Wirkung bewahrt, die ſich in den oben beſchriebenen Malereien zu ihrem Höhepunkte ſteigerte. Dieſe Erſcheinung wurde nun— allerdings nur an den ſtraßenwärts gewendeten Fronten— nach dem Geſchmack der Zeit völlig umgeändert. Die vergrößerten Fenſter wurden viereckig geſtaltet, die Flächen überputzt und an den Ecken mit Andeutungen von Quadern verſehen; auch die Blendarchitektur an der ſüdöſtlichen Langſeite ſuchte man durch ſchwere gekehlte Kämpfer und einen höheren Sockel dem übrigen anzupaſſen. An dieſem neuen Gewande änderte das 19. Jahrh. nur wenig. Im Jahre 1882 wurde die Wache und die Marktmeiſterwohnung aus dem ſüdöſtlichen Anbau entfernt und auch hier wieder die urſprüngliche Zweiſtöckigkeit hergeſtellt, nachdem der einzige Zeuge für dieſe, der halbrunde Erker, ſchon gegen 1830 gefallen war. Um dieſelbe Zeit ging auch eine Art Beiſchlag zugrunde, der in einer um zwei Stufen erhöhten und von ſeitlichen Bänken eingeſchloſſenen Terraſſe vor dem Hauptportale beſtand. Stufen und Bänke liefen vorn gegen zwei hohe viereckige Pfeiler tot. Auch von dieſer kleinſtädtiſch anheimelnden Einrichtung hat uns die Schießſcheibe von 1818(Abb. 91) ein Bild bewahrt.
Drei Glocken hängen in der offenen Laterne des Turmes: die kleine von 0,38 m Durchm. iſt laut Inſchrift am Halſe in gotiſchen Minuskeln 1569 von Merte Moldenh. gegoſſen; die zweite von 0,47 m Durchm. und altertümlicher ſchlanker Form hat keine Inſchrift; die dritte von 0,90 m Durchm. und breiter eckiger Form(Stundenglocke) iſt laut Inſchrift am Halſe 1566 von Andreas und Merten Moldenhewer angefertigt.
An Kunſtgegenſtänden enthält das Rathaus eine Anzahl Bilder, die z. T. künſtleriſchen, faſt alle aber geſchichtlichen Wert haben. Im Sitzungsſaale an der Haupt: ſtraße befinden ſich:
Die lebensgroßen Bildniſſe der preußiſchen Landesfürſten vom Großen Kurfürſten bis zu Friedrich Wilhelm IV.
Ein Paſtellgemälde unter Glas, das eine als Stifterin verdiente Frau Tismar darſtellt und ſich durch eine miniaturartig feine Durchführung auszeichnet.
Sechs kleine Gouachebilder mit den folgenden Anſichten von Brandenburg : 4) die Altſtadt vom Mühlendamm aus geſehen, 2) der Dom von Nordoſten, 3) das Johanniskloſter von der Langen Brücke aus, 4) das Neuſtädter Mühlentor, 5) das Altſtädter Mühlentor mit der Gotthardtkirche, 6 das Rathenower Tor. Allem An
Kunſtdenkm. d. Prov. Bdbg. II. 3. Stadt und Dom Brandenburg . 11