Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
Seite
182
Einzelbild herunterladen

182 Stadt Brandenburg .

nommen werden, daß die Altſtadt im 14. Jahrh. zwei voneinander getrennte Gebäude für die Zwecke des Rathauſes und Kaufhauſes beſeſſen habe, da ſich unter und neben dem Rathauſe ältere Keller eines großen Gebäudes finden, das doch wohl nur einem dieſer beiden Zwecke gedient haben kann. Eine ſolche Annahme ſcheint aber in Anz betracht deſſen unzuläſſig, daß ſelbſt die damals viel bedeutendere Neuſtadt für beide Zwecke mit einem einzigen Gebäude auskam.

Unter den weiteren Umſtänden, welche gegen die Beſtimmung als Rathaus zeugen, fällt die Lage der Räume ſchwer ins Gewicht. Hätten wir es mit einem ſolchen zu tun, ſo würden unzweifelhaft die Halle am Markte, die überwölbten Zimmer aber an der Rückſeite liegen. An der Marktſeite würde eine Freitreppe zur Halle führen, während doch ein Portal an dieſer Seite nicht nur nicht vorhanden, ſondern auch der Zimmer wegen überhaupt ausgeſchloſſen iſt. Die an den Giebelſeiten befindlich geweſenen Türen erſcheinen beide für ein Rathaus zu klein und anſpruchslos.

Die gewölbten Räume des Erdgeſchoſſes würden nach dem, was von anderen Rathäuſern aus dem 14. Jahrh. bekannt iſt, für ein ſolches zu reichlich bemeſſen ſein, da die ſtädtiſche Verwaltung und Rechtspflege in dieſer Zeit meiſt mit einem oder zwei beſonderen Zimmern außer der Halle auskam.

Noch viel nachdrücklicher als alle dieſe Erwägungen zeugt aber gegen die Annahme eines Rathauſes der Hedemannſche Plan der Stadt Taf. 35) nebſt feinem Kataſter aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Hier iſt das Gebäude in völlig zuverläſſiger Weiſe als eines der vielen Brauhäuſer der Stadt, d. h. einfach als Bürgerhaus bezeichnet und kein Wort dieſer ſo wertvollen Urkunde läßt darüber Zweifel oder eine andere Deutung zu.

Wäre nun hiernach etwa noch die Annahme möglich, daß das Gebäude als Gildehaus errichtet worden und erſt gegen 1720 in Privatbeſitz übergegangen iſt, ſo ſpricht ſchließlich auch hiergegen das Wappen(Abb. 104 oben links), das ſich im Erdgeſchoß an einem der Schlußſteine der gewölbten Zimmer befindet, während uns zwei andere die Bildniſſe des Erbauers und der Herrin des Hauſes im Kopfputz und in der Haartracht ihrer Zeit zeigen. Dieſe wertvollen Zeugen für die Geſchichte dieſes älteſten Profanbaus der Altſtadt ſind leider bis zur Unkenntlichkeit dick über: tüncht. Immerhin hat das wichtigſte Zierſtück dieſer Schlußſteine, das Wappen, gerade wegen ſeiner ſehr einfachen Tinkturen an Deutlichkeit wenig verloren. Es zeigt ein vierundzwanzigfach gewürfeltes Feld. Es wäre für die Familiengeſchichte der Altſtädter Bürger, ja für die Geſchichte des Bürgertums in Brandenburg überhaupt von großem Werte, wenn es gelänge, den einſtigen Inhaber dieſes Wappens und damit den Erbauer dieſes für beide Städte ganz einzigartigen Bürgerhauſes zu ermitteln. An den ſtädtiſchen Urkunden ſcheint ſich kein entſprechendes Siegel er­halten zu haben.

Die auffallende Stattlichkeit des Hauſes trug ihm alſo zu Unrecht das Anſehen eines Rathauſes ein; ſein in der Tat mit einer außerordentlichen Wucht der Er­ſcheinung ſich hochreckender Giebel mit ſeinen mächtigen Pfeilern gehörte vielmehr in Wirklichkeit einem Büurgerhauſe, dem Wohnhauſe eines der damals hervorragendſten