226 Dom Brandenburg.
ragende Krypta. Sie wirkte nicht nur ungünſtig auf die Verhältniſſe des Kirchenraumes, ſondern führte auch zu einer noch ſchärferen Trennung von Chor und Schiff, als ſie ſonſt üblich war. Die ſtarke Überſchneidung des Chores durch die vordere Kryptawand, die nach Heinſius Annalen(Gebauer, Feſtſchrift der Ritterakademie, S. 59) noch durch ein Geſtühl erhöht wurde, gewährte der im Schiff anweſenden Laienſchaft kaum noch einen Blick in das Sanktuarium. Der auch ſeitlich gegen die Kreuzarme hochgelegene und überdies durch etwa fünf Meter hohe Mauern abgeſchloſſene Vierungsraum bildete mit dem Altarhauſe gleichſam eine Kirche für ſich, die aus: ſchließlich den Mönchen oder, wie man die Kanoniker ſpäter nannte, Domherren vorbehalten blieb.
Bei der Erbauung des Domes hatte man dergleichen nicht beabſichtigt. Nichts hinderte damals den freien Blick durch Schiff und Chor der Kirche. Nur wenige Stufen erhoben dieſen über jenes und das Querſchiff ſtand der Laienſchaft offen. Die Biſchöfe waren damals eher geneigt, ihre Kirchen ſelbſt weltlichen Verſammlungen zu öffnen, und ging dieſe Weitherzigkeit hier auch nicht ſo weit wie anderwärts, ſo ſehen wir doch auch den kaum fertiggeſtellten Brandenburger Dom mehrmals, z. B. in den Jahren 1194, 1195 und 1208s, ſeitens des Biſchofs ſelbſt zu Handlungen weltlicher Art, wie Rechtsverleihungen und Schenkungen benutzt, denen Geiſtliche und Laien in größerer Zahl beiwohnten(et alii quam plures clerici et laici— Riedel Vll, S. 121, 122 u. 126).
Mit dem Einbau der Krypta um das Jahr 1235 vollzog ſich indeſſen auch hier jene ſtrenge Scheidung zwiſchen Prieſterraum und Laienraum, die ſich damals in Kloſter⸗ und Kathedralkirchen mehr und mehr einbürgerte und meiſt durch einen Lettner, d. h. eine hohe, oft reich ausgebildete Wand zwiſchen den beiden Teilen bewerkſtelligt wurde.
Eine ſolche Trennung war den Kanonikern des Domkapitels, wie man annehmen darf, an ſich ſehr willkommen; in einer Stadt aber, die noch nicht gar lange einem verachteten, andersgläubigen Feinde entriſſen war, mußten ſie ſich um ſo mehr zu einer vorſichtigen Zurückhaltung von der Volksmenge veranlaßt fühlen. Schon damals bei Anlage der Krypta erachtete man übrigens das Altarhaus als zu eng für die gottesdienſtlichen Handlungen der Geiſtlichen und die Sitze der Domherren und dehnte die Mönchskirche bis über die Vierung hin aus. Sie führt im Breviar des Biſchofs Stephan die vieldeutige Benennung„chorus“, während der Ausdruck Presbyterium nur zuſätzlich in„sedes preshbiteralis“ auftritt(ſehe S. 227).
Hier erhob ſich der Hauptaltar(summum altare, majus altare) mit ſeinem eigenartigen Aufbau aus einem vor dem mittleren Chorfenſter hochaufſteigenden, zierlichen Tabernakel und zwei ihn ſeitlich einſchließenden Schreinen. Für ſeine Ecken enthält das Breviar die Bezeichnungen„cornua summi altaris, dexterum cornu, Sinistrum cornu“. Der im Breviar beim Allerheiligentage gebrauchte Ausdruck„tumba““ erinnert an die Auffaſſung des Altars als Heiligengrab. Er wurde bei dieſem Anlaß in feierlicher Weiſe mit einem angemeſſen wirkenden Überwurfe(eum palla decenti) behängt und mit vier Kerzen umſtellt. Auf der Tumba ſtellte man an