Bezeichnung Krypta für dieſen in gleicher Höhe mit der Kirche belegenen Raum darf nicht wundernehmen, da ſie im Mittelalter keineswegs nur auf unterirdiſche Räume angewendet wurde. Gleichbedeutend damit war„Kluft“, und dieſe Bezeichnung „Kluft“ hat die Kapelle auch in der Urkunde(Riedel VIII, 410), die im Jahre 1440 darin die Wahrnehmung der Gezeiten der hl. Jungfrau unter Geſang des Schüler— chores anordnet).
Der von Anfang an durch keine Mauer geteilte Raum der Marienkrypta enthielt zwei Altäre, nämlich vorerſt den nächſt dem Hochaltar des Chores und dem Hauptaltar der Laien bedeutungsvollſten Altar des Domes, der 1235 zur Ehre der ſeligen Jungfrau Maria, Johannis des Täufers, der Maria Magdalena , der Katharina und des Biſchofs und Märtyrers Levinus geweiht wurde. Der zweite Altar war dem Evangeliſten Johannes geweiht, denn an ſeinem Tage wird ſeine Meſſe„in erypta sancti Johannis“ geleſen.
Bei der Anlage dieſer Kapelle im Jahre 1235 lag ohne Zweifel die gleiche Abſicht vor, die ſich in den zahlreichen Nebenkapellen der Kluniazenſer und Ziſterzienſer verkörpert: den Mönchen eine von der Außenwelt möglichſt abgeſchloſſene Stätte der Andacht zu bereiten, wo ſie ſich in völliger Zurückgezogenheit in Betrachtungen verſenken und den Körper kaſteien könnten. Es war dies im religiöſen Leben der Geiſtlichkeit die notwendige Ergänzung zu den auf eine mehr äußerliche Entfaltung erhabener Feierlichkeit gerichteten Feſten, Prozeſſionen und ſonſtigen gottesdienſtlichen Veranſtaltungen der Kirche, bei denen die Laienſchaft den von der Geiſtlichkeit ausgehenden Anregungen einſtimmend und nachahmend folgte.
Dazu bedurfte es nach den Anſchauungen des Mittelalters unumgänglich eines Altars, zumal in der biſchöflichen Kathedrale, wo man die Predigt nicht pflegte. Da nun aber der Hauptaltar auf dem Hochchore der Laienſchaft unzugänglich und ſogar ihren Blicken völlig entzogen war, ſo entſtand die Notwendigkeit, der Laienkirche einen beſonderen Hauptaltar zu geben. Dieſer war nach alter Gepflogenheit auch im Brandenburger Dome dem hl. Kreuze geweiht(altare sanctae crucis) und erhielt ſeinen Platz folgerichtig am Oſtende des Laienraumes, alſo am Weſtende der Mönchs—kirche oder des Hochchores. Im Gegenſatze zu dieſem„chorus“ des Breviars führt jener darin ſchlechtweg die Bezeichnung„ecclesia«“. Der Altar des hl. Kreuzes, der den Rang eines Hauptaltars hatte und in Stiftskirchen nächſt dem Hochaltare ſtets der wichtigſte war, mußte notwendig in der Mittellinie der Kirche ſtehen. Die offenen Bögen der Kryptawand, an die er ſich mit dem Rücken lehnte, mußten ihm ſeitwärts ausweichen und erlitten dadurch eine Verſchiebung aus den Achſen des Gewölbeſyſtems der Krypta.
Seit dem Anfange des 14. Jahrh. vermehrte man die Zahl der Altäre des Domes erheblich. Man errichtete dieſe Nebenaltäre an den Weſtſeiten der Arkaden—
Noch im 18. Jahrh. beſtand das nördliche Erdgeſchoßfenſter als Tür; die Kluft konnte daher als Durchgang zum Kreuzgang benutzt werden. Infolge häuftiger gleichzeitiger Benutzung der Kluft und des Kreuzganges als Verbindungsweg übertrug ſich die Bezeichnung Kluft im 18. Jahrh. ſchließlich mit auf dieſen(vgl. darüber auch Feſtſchrift der Ritterakademie, S. 30 Anmerk. 2 und S. 49 Anmerk. 4).