Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
Seite
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272 Dom Brandenburg .

ſchließt. Beide find aus zierlichen gotiſchen Architekturformen aufgebaut, deren fenſter­artige Öffnungen früher mit rot und blau gefärbtem Papier hinterlegt waren. Dieſe reichen nicht bis auf den Fuß herab, vielmehr iſt der untere Teil des Tabernakels rings geſchloſſen. Von den ſechs Abſchlußflächen waren die drei vorderen mit erhaben geſchnitzten Figuren geſchmückt. Zwei Engel mit gemalten Flügeln begleiteten beider­ſeits eine gemalte Heiligenfigur; nur der rechte davon iſt noch erhalten. Von den drei hinteren Seiten war die mittlere als Türchen zu öffnen, die beiden ſeitlichen waren leer.

Durch ein im Antiquarium aufbewahrtes Pergamentzettelchen des Inhalts, daß am 12. April 1375 unter Biſchof Dietrich v. Schulenburgcompleta est hec archa per manus magistri Nicolai Tabernaculi in honore domini nostri Jhesu Christi et beate Marie virginis gloriose et beatorum apostolorum Petri et Pauli, Andree et beati Augustini(Riedel Vlll, 310), wird(nach Wernicke a. a. O.) mit hoher Wahrſcheinlichkeit die Entſtehungszeit(1375) und der Meiſter des Tabernakels, Nicolaus Tabernaculus, beſtimmt.

Die oben beſchriebene Zuſammenſtellung der Teile iſt im allgemeinen nicht unwahrſcheinlich, nur geht Wernicke(a. a. O., S. 6) mit der Behauptung zu weit, daß die Architektur der bekrönenden Wimperge der Schreine mit denen des Tabernakels in den Formen völlig übereinſtimme. Tatſächlich unterſcheiden ſich beide zum Teil merklich voneinander, namentlich im Charakter und Profil des Maßwerks; auch iſt die Form der Krabben am Tabernakel einfacher und altertümlicher. Somit wäre die Auffaſſung Wernickes etwa dahin ein wenig umzugeſtalten, daß die ſeitlichen Schreine etwas ſpäter angefertigt und mit dem bereits vorhandenen Tabernakel zu der Gruppe vereinigt worden ſeien. Lotz(Kunſttopographie l, S. 92) ſieht wie Wernicke in den bezeichneten Teilen des alten Hochaltares zwei einzelne Altarſchreine. Münzenberger(Zur Kenntnis der mittelalterlichen Altäre, S. 61) hingegen hält das Tabernakel zwar für zugehörig zum Altar, aber die beiden Schreine als durch ſpäteres(1723) Auseinanderſchneiden entſtanden.

Erſcheint nach dieſen Ausführungen nun auch die Zuſammenſtellung der Teile nach dem Vorſchlage Wernickes formal durchaus begründet, ſo entſpricht doch die dabei zugrunde liegende Auffaſſung des Tabernakels als Sakramentshäuschen und infolgedeſſen des ganzen Altars als eines Sakramentsaltars nicht den Gepflogen­heiten der Entſtehungszeit. Die hier in Zweifel gezogene Deutung ſcheint freilich durch einige Stellen in dem Rationale des Durandus, welche Fr. Schneider(imKirchen­ſchmuck Xl, 1867. 1, S. 9) bereits heranzog, gerechtfertigt. Indeſſen, mag es immerhin zu Durandus Zeit(1290) vorgekommen ſein, daß die Altartabernakel auch zur Aufbewahrung der hl. Euchariſtie benutzt wurden, ſo waren dafür doch im frühen Mittelalter meiſt über der Altarmenſa aufgehängte Behälter verſchiedener Form, ſeit dem 14. Jahrhundert aber beſondere, ſeitwärts an der Chorwand oder ſonſt in der Nähe des Altars auf der Evangelienſeite angebrachte Sakraments­häuschen in Gebrauch. Fr. Schneider hatte auf Grund von Durandus das Vorkommen von Sakramentsaltären ſchon in romaniſcher Zeit angenommen. Münzenberger(a. a. O.)