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Zweifel an der Echtheit der Geschichten, eröffnete z. B. auch Johannes Hus einen Feldzug dagegen. Bis zur Deformation hielt der Zuzug nach Wilsnack an, und die aus Berlin über Ruppin in die Prignitz führende Landstraße hieß geradezu der „Heilige Blutsweg".
Mit dieser erstaunlichen Wundergläubigkeit des Volkes bringt man heute vielfach in Zusammenhang eine noch immer unaufgeklärte Erscheinung, die sich auch in der Mark, besonders an kirchlichen Bauten, beobachten läßt, die sogenannten Näpfchen und Rillen. Weist an den äußeren Eingangstoren der Gotteshäuser finden sich nämlich im weicheren Baumaterial, im Bandstein, Ziegel oder auch im Mörtel bald rundliche und ovale Löcher, bald länglich oder kerbartig eingewetzte Scharten, an denen der Laie achtlos vorbeigeht, die den Forschern aber schon viel Stoff zum Nachdenken und zu Vermutungen gegeben haben. Ihre Entfernung vom Erdboden mag im Durchschnitt s m betragen; die Größe der „Längsrillen" schwankt etwa zwischen 0,20 und 1,00 in, die der eiförmigen Näpfchen zwischen 0,(0 und 0,H0 m im Längsdurchmesser, während die „Rundmarken" als Vertiefungen bald nur für eine Marmelkugel, bald selbst für eine kleine Kanonenkugel passend erscheinen. Massenhaftes Auftreten solcher Marken zeigt die Müncheberger Airche, wo man z. B. 266 Näpfchen und 22 Rillen gezählt hat.
Über Bedeutung und Entstehung dieser eigentümlichen Ausschürfungen ist man sich aber um so weniger einig, als sich bisher auch nicht eine Bemerkung in der älteren Literatur hat finden lassen, die einen Erklärungsanhalt böte.
Daß zunächst die Längsrillen öfters das Erzeugnis ganz neuzeitlicher Ainder- spielerei sein können, ist unleugbar, und man sieht z. B. an der Paulikirche zu Brandenburg einen Grabstein des s8. Jahrhunderts, der überdies wohl erst seit 50 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich ist, mit unverkennbaren Schleifrillen bedeckt, dem Werke der auf dem Platze spielenden Ainder, die an dem Sandstein ihre Messer oder Griffel schleifen. Allein die Rillen nun allesamt als das Erzeugnis jüngsten Kinderunfugs hinzustellen, geht trotzdem nicht an. Denn auf einem Grabstein in Loburg aus dem s3. Jahrhundert, der im Jahre 1,601 umgedreht und dem Gebrauch entzogen wurde, finden sich Rillen in großer Zahl, und andererseits begegnet man ihnen selbst in einer Höhe von zwei Metern, wo also Kinderspiel ausgeschlossen ist. Wenn ferner im ur-
Abb.11. Näpfchen und Rillen an der Kirche zu Kremmen (Havelland).