allen romanischen Hauptportal der Gotthardskirche zu Brandenburg in die Granitquadern Sandsteinblöcke eingelassen sind, die, obgleich ohne Rillen, doch in auffälligster Weise abgeschliffen sind, so spricht diese Tatsache wohl dafür, daß schon im ersten Besiedelungsalter der Mark von kirchlicher Seite Rücksichten auf gewisse Volksgewohnheiten genommen wurden. Das gelegentliche und vereinzelte Vorkommen der Rillen an Profanbauten widerlegt zwar die ausschließliche Geltung religiösen Aberglaubens bei ihrer Entstehung und muß auch der Annahme, man habe den gewonnenen Staub als Heilmittel benutzt, entgegengehalten werden. Dennoch wird im allgemeinen zuzugeben sein, daß durch das Schleifen den Werkzeugen besondere Weihe verliehen werden sollte, und daß die römische Kirche, die sich ja mit allen erdenklichen Volksanschauungen abzufinden oder sie sich dienstbar zu machen verstand und versteht, auch solchem Streben planmäßig entgegenkam oder es zum mindesten nicht störte.
Auf weit unsichererem Boden als bei Erklärung der Rillen bewegen wir uns jedenfalls bei der Deutung der runden oder ovalen Näpfchen. Zum großen Teile nimmt man für sie profane Entstehung an. Der eine sieht darin nur Kugelspuren, ein zweiter ein Erkennungsmal der Maurer, ein weiterer ein solches wandernder Handwerksburschen; einem vierten sind sie dadurch entstanden, daß ein mit Zunder umwickelter Holzstab in Drehung versetzt und so Heuer entfacht wurde. Auch als Totenzeichen oder als deren Gegenteil, als Angabe neugeborenerKinder sowie als Liebeszauber hat man sie erklären wollen. Von anderer Seite weist man ihnen desto nachdrücklicher rein religiösen Ursprung zu. Hier bringt der eine die Näpfchen mit den vorgeschichtlichen Näpfchensteinen in Verbindung und macht darauf aufmerksam, daß noch heute der Bischofsstein von Niemegk angeblich von Kranken und Kurpfuschern aufgesucht, gesalbt und zum Besprechen verwendet werde: das würde also die Verwendung der Näpfchen zu Heilzwecken auch für die Kirchen bedeuten, in die man die Krankheiten bannen zu können meinte. Nach vielfacher Meinung wären die Rundmarken durch Drehung von Münzen entstanden, die die Pilger hätten weihen wollen — auch Zola erzählt ja aus Lourdes, daß durch das Reiben der Medaillen und Rosenkränze der Helsen der Wunderstätte poliert und ausgehöhlt sei. Endlich hat man die Herstellung von Näpfchen wie der Rillen auch als eine anbefohlene Kirchenbuße aufgefaßt. Alles in allem aber stehen wir hier schließlich vor einem Rätsel, dessen Lösung, wie es scheint, noch lange auf sich warten lassen wird.
So war das römische Kirchenwesen allem Anschein nach im großen und kleinen, im Guten und Schlechten mit jeder Hafer des märkischen Volks verwachsen, und wenn auch, wie Treitschke einmal bemerkt hat, das Brandenburger Land keinen Kirchenheiligen hervorgebracht hat, so lag das vor allem an einer gewissen ehrlichen Nüchternheit der Märker und wahrlich nicht an ihrer kirchlichen Gleichgültigkeit.
Indessen, völlig unangefochten blieb die Kirchenautorität trotzdem nicht in der Mark Brandenburg, und oppositionelle Regungen schlugen gerade hier des öfteren Wurzel.
Im fZ. Jahrhundert waren kirchenfeindliche Sektierer an vielen Orten des Reiches ausgetreten; daß sie aber auch im Kolonialgebiet Fuß faßten, erfährt