Einleitung.
Aufgabe und Umfang einer brandenburgischen Kunstgeschichte.
Die Kunstgeschichte eines kleinen Landgebietes hat ein doppeltes Gesicht. Der größeren Landesgeschichte, der sie entkeimt ist, und der sie manche starke Anregung gebracht hat, gehört sie nur zum Teile an; denn unabhängig von dieser Entwicklung hat sie auch ihre eigenen Wurzeln, ihre Landessonderheit, ihr von der Bevölkerung bestimmtes Ausdrucksleben, das freilich in dem Maße mit dem stärkeren der allgemeinen Kunstgeschichte verwächst, indem sich aus der landschaftlich beschränkten Stammeskunst eine weltliche deutsche Nationalkunst entwickelte. Tine brandenburgische Kunst gibt es daher lediglich — und auch das nach der verhältnismäßig spät einsetzenden deutschen Kultur nur bedingt — in der Vergangenheit, in der sie mit geringen Mitteln arbeitete, aber in dieser Beschränkung trotzdem recht bemerkenswerte Ergebnisse erreichte. Sobald diese immer breiter in den Strom der großen Kunstgeschichte einmünden, verlieren sie den engeren volklichen Untergrund; sie lösen sich von der beschränkten heimatlichen Scholle und nehmen in steigenderem Maße europäische Anregungen auf. Das beginnt besonders mit der Entstehung des modernen Staates sichtbar zu werden, der für unsere Heimat mit dem Anfang der Hohenzollernherrschaft einsetzt. Sie schweißte die einzelnen, volklich und landschaftlich gesonderten Landesgebiete zu einem einheitlichen Ganzen zusammen; sie schnitt die Beziehungen zu den benachbarten Landgebieten ab, die zumeist von älteren kirchlichen Einrichtungen getragen wurden; sie schuf infolge der vielseitigen gewerblichen und künstlerischen Bedürfnisse des Hofes eine starke gemeinsame Strömung, die sich in den kleinen und größeren städtischen Mittelpunkten zunächst zu einer zünftigen und vielfach eigensinnigen, aber in langer Entwicklung immer mehr vereinheitlichten Kunstanschauung verdichtete und schließlich durch die Aufnahme hervorragender landfremder Kräfte den Anschluß an die allgemeine Kunstrichtung Europas fand. Indem sich die brandenburgische Kunst auf diesem Entwicklungswege gewissermaßen europäisierte, eroberte sie sich zunächst Boden in den oberen Kreisen und durchsetzte durch den kurfürstlichen und später königlichen Hof das öffentliche Leben immer stärker mit politischen und humanistischen Gedanken, die dann von den höfischen Beamten, dem Adel und den größeren Landbesitzern auf die einflußreichen Stadtgeschlechter und auf die Vertreter der wissenschaftlichen Kultur übertragen wurden und nun langsam und in immer breiter werdendem Flusse nach unten gelangten, die aber erst in den Tagen der Romantik und des Bieder- meiertums den Anlauf zu einer einheitlichen, alle Kreise umfassenden künstlerischen Form machte.
brandenburgische Landeskunde. Bd. IV. I