Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
2
Einzelbild herunterladen

2

Von dem Ausgange der Gotik an rund gerechnet also etwa vom Jahre 1500 ging diese Entwicklung vor sich, die bis zu ihrem Schlüsse den wechselnden Lauf von drei Jahrhunderten durchfloß, um dann ein tragisches Geschick! völlig im Sande zu versickern, als ob sie ihre Kräfte vorzeitig verbraucht hätte. Es begann eine Zeit des Suchens und Tastens, kühnen Wollens und Höffens, um schließlich die Erkenntnis zu buchen, daß man im Gebiete der bildenden Kunst nur die Entwicklung einer älteren Zeit noch einmal zu durchleben versucht habe.

Unaufhaltsam, wenn auch sehr langsam, erfolgte das Einschmelzen der ehemals engen landschaftlichen brandenburgischen Kunst in die mächtige Woge, die von der Renaissance getragen in das Land strömte, die ältere Anschauungen unterminierte und mit ganz neuem geistigen Inhalt füllte, während die körperliche Struktur der künstlerischen Entwicklung, die besonders in den Bauten stark konservativ blieb, noch lange Zeit die Formen einer älteren Zeit nicht verlieren konnte. Das hatte seinen Hauptgrund in der langsam einsetzenden Scheidung der Bevölkerung in eine bewegliche städtische und höfische, kulturbegehrende Schicht und eine auf dem offenen Lande und in den Uleinstädten sitzende unbewegliche Bauernbevölkerung. Diese konnte und mochte nicht den Strömungen der ersteren zu folgen, da ihr weder der Erwerb vieler Kulturgüter, weder die wirtschaftliche Freiheit, noch auch die Möglichkeit zu einem handwerklichen Einpassen in den gewerb­lichen Betrieb der größeren Städte offenstanden. Die bäuerliche Bevölkerung blieb daher notgedrungen bei ihrer alten hauskünstlerischen Betriebsform und bewahrte infolgedessen Reste eines älteren Uunstempfindens, das um so starrer, entwicklungsloser wurde, je mehr jener im 17. und 18. Jahrhundert der Anschluß an die städtischen Zunftgewerbe ver­schlossen wurde. Ja, es erfolgten zuzeiten wirtschaftlichen Niederganges in den Städten sogar Rückfälle und eine Annäherung an die konservative Uunst des Landes, die an­scheinend einen Ausgleich zwischen beiden ständischen Uunstanschauungen (so darf man sie wohl nennen) herbeiführte, die in Wirklichkeit jedoch das absterbende Alte nur vor­übergehend mit neuer Lebenskraft füllte und es dem Aufnehmen neuer Gedanken verschloß.

So sehen wir zum Beispiel in den Jahren nach dem Dreißigjährigen Kriege eine altbrandenburgische Reaktion einsetzen und damit einen großen Zwiespalt zwischen volklicher und höfischer Kunst entstehen, der immer größer wurde. Während auf der einenSeite fremde Künstler, die zuerst aus den Nachbarstaaten, dann aus Holland, Italien und Frankreich stammten und die Kunst jener Länder überraschend schnell einbürgerten, immer mehr Einfluß gewannen, lebte hinter und unter dieser Wandlung die ältere brandenburgische Kunst weiter und zog stellenweise sogar jene wieder auf ihren Gestaltungshorizont herab. In ähnlicher Weise wurde die Entwicklung trotz aller Unterstützung unter Friedrich I. und unter Friedrich dem Großen wieder der Landeskunst angenähert. Seit ungefähr drei Jahrhunderten haben wir in Brandenburg einen Kampf der Anschauungen zwischen enger brandenburgischer und weiter europäischer Kunst vor Augen, der schließlich die Kräfte beider, soweit sie im Lande lebensfähig waren, aufzehrte und mit einem künst­lerischen Zusammenbruch endete.

Eine Kunstgeschichte Brandenburgs muß daher auch beiden Kunstanschauungen gerecht zu werden suchen, die, wie wir sehen werden, zugleich Trägerinnen ganz ver­schiedener Wirtschaftsgrundsätze sind; aber sie wird, falls sie eine Entwicklung und keines-