Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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Rückbildung und Vereinfachung. Vielleicht ist mit der Politik der sächsischen Kaiser eine Kunst wenigstens stellenweise in Brandenburg heimisch geworden, die den Bildungs­prozeß des 10. Jahrhunderts in die Mark verpflanzte; aber sie ist dann in den späteren Mendenaufständen wieder vernichtet und auf zwei Jahrhunderte zum Stillstand gebracht worden. Wenigstens an einer Stelle läßt sich dies mutmaßen. Auf dem heutigen Boden der sagenberühmten Harlungerstadt Brandenburg wurde nämlich ein Stift des Apostels Petrus eingerichtet. An der Stelle des Gerowittempels in havelberg, den noch der Pommernapostel Adalbert von Bamberg sah, war 946 ein der Jungfrau Maria geweihtes Bistum gegründet, während in dem südlichen laufitzischen Grenzlande der eiserne Markgraf Gero eine nicht unerhebliche städtische Siedlung, Marina oder Gerostadt, an­legte. Nichts ist davon auf unsere Tage gekommen, falls man nicht die spärlichen Reste auf dem Grünen Berge bei Gehren, unweit Luckau, als die Reste jener Anlage Geros ansehen will.1)

Alle diese Zeugen aus dein Frührot unserer märkischen Kunst sind von den unruhigen Ereignissen einer späteren Zeit hinweggespült worden, in einem Völkerringen, das reich an tapferen Kämpfen wie an grausamen Taten die slawische Macht wieder auf zwei Jahrhunderte befestigte. Was namentlich in der Nachbarschaft der älteren Sied­lungen oder der deutschen Burganlagen entstanden war, ist untergegangen. Selbst die Domkirche in Brandenburg dürfte kaum aus anderem Stoffe erbaut worden sein als Holz, wenn noch in Süddeutschland zur selben Zeit Burgen und Dome aus diesem vergäng­lichen Materiale errichtet wurden.

Erst mit der Kolonisation Albrechts des Bären beginnt in Brandenburg ein stärkeres künstlerisches Leben einzusetzen, hinter den Kriegern folgten der deutsche Bauer mit seiner Pflugschar, der Bürger mit Handel und Gewerbe und der Priester mit dem Gerüst der hierarchischen Ordnung, die für die einzelnen Siedlungen und Zwecke ganz bestimmte Bauforderungen mitbrachten. Sie sind ausschlaggebend für die nächsten Jahr­zehnte gewesen, die noch im Banne der romanischen Tradition standen, bis sie von der Gotik, dieser prächtigsten Blüte der mittelalterlichen Kultur, abgelöst wurde. Aber inner­halb der romanischen Zeitkunst schichtete sich das künstlerische Empfinden je nach der Art der ständischen Gliederung, deren Bedürfnisse und deren Arbeitsmöglichkeiten be­stimmend blieben.

Die Bauern, die dem Rufe der Fürsten folgten, standen noch völlig im Banne einer urwüchsigen, je nach ihrer Heimat schon örtlich gefärbten hauskunst, aber diese war be­engt durch die Schranken, die der Arbeit selbst eine Grenze setzten. Was jenseits der für den Lebenskampf notwendigen Tätigkeit lag, konnte kaum von nennenswertem Um­fange sein. Wir wissen freilich im einzelnen zu wenig von dieser bäuerlichen Kunst, die sich nach Analogie mit jeder anderen deutschen Volkskunst wohl hauptsächlich auf die einfache bäuerliche Hütte, auf die Kleidung und auf wenige Werkzeuge erstreckt haben dürfte. Das ist, von dem Umfange künstlerischer Arbeit späterer Zeit betrachtet, sehr wenig; dieses wenige kommt aber für diese Zeit um so mehr in Betracht, als jede Arbeits­leistung schon kunsteinschließend war und, obwohl die Energie dieser Kunstleistungen auch

1) Arens, Gero der Große. Markgraf in Mstsachsen, Herzog in Brandenburg, Luckau 1912. Entlautnersche Buchdruckerei. Mielke, Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1902, 2 . 2«.