Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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Zeugnisse hinterlassen. Selbst die vermutlich gleichfalls durch altgermanische Aberlebsel gestärkte Tempelkunst zu Brandenburg a. H., Havelberg, Jüterbog u. a. minder hervor­ragenden Kultorten ist, ohne eine Spur zu hinterlassen, restlos dem Ansturm der neuen Einwanderer erlegen. Nur in dem sogenannten Vorhallenhaus, das seine eigentliche Heimat östlich der Elbe hat, scheint sich ein vorchristliches Denkmal volkstümlicher Bau­kunst erhalten zu haben, das sogar noch bis in das sft- Jahrhundert die schon in der mittleren Bronzezeit bekannte Bauart fortgepflanzt hat (siehe Band III S. 393). An­zunehmen ist auch, daß in dem vollen Jahrtausend, das zwischen dem Eindringen der provinzial-römischen Aultur und dem Rückstrom deutscher Bevölkerung liegt, in Branden­burg noch manch anderer Einfluß zur Geltung gekommen sein dürfte, aber keineswegs in der Mächtigkeit, um den Aulturwirkungen der deutschen Rückwanderer einen Wider­stand entgegenzusetzen. Neben dem überlieferten Hausfleiß der Slawen, der nicht wie bei den Deutschen im Sinne einer Güterverwertung arbeitete, haben einzelne Berufs­gewerbe wie Fischerei, Imkerei u. a., die freilich den sogenannten landwirtschaftlichen Ur- gewerben zuzurechnen und daher keineswegs national beschränkt sind, einen wesentlichen Teil der vordeutschen Aultur gebildet; aber ihr Einfluß auf die spätere Zeit ist auf die Erhaltung sprachlicher Beziehungen und einzelner Geräte beschränkt geblieben.

Fassen wir alle Zeugnisse zusammen, dann wird man die künstlerische Aultur der vordeutschen Bevölkerung nicht allzuhoch einschätzen dürfen. Die Empfänglichkeit für künstlerische Arbeit, über die die sogenannten Hacksilberfunde (siehe Band III S. 450) insofern ein negatives Bild geben, als diese orientalischen Schmucksachen ohne Sinn und Aberlegung erbarmungslos zerschnitten und vernichtet worden sind, um sie in roher Meise nur nach ihrem Materialwert einzuschätzen, ist kaum vorhanden gewesen. Andererseits aber gibt die Tatsache, daß einzelne slawische Fürsten von dem zweifelhaften märkischen Iaczko ganz abgesehen sich Münzen nach deutscher Art haben schlagen lassen (und nicht ohne künstlerischen Mertl) einen Hinweis auf das Eindringen deutscher Aunst schon vor der Aolonisationszeit, die wohl kaum auf diesen Zweig beschränkt geblieben ist.

Mir müssen also den Anfang einer brandenburgischen Aunst unbedingt in die Zeit der deutschen Rückeroberung zurückschieben, aber auch hier sind bemerkenswerte Zeugnisse erst in der zweiten Periode der Germanisierung vorhanden. Das ist insofern von Be­deutung gewesen, als eine Abergangszeit in der christlichen Aunst oder eine friedliche Durchdringung slawischer und germanischer Aunstgedanken ausgeschlossen wurde. Es tritt die Aunst in Brandenburg also in wesentlich anderer Geschlossenheit auf als in Ge­bieten mit einer einheitlichen und von gleichen Münschen durchsetzten Bevölkerung. Sie rang sich nicht in langsamer Entwicklung von unten her zu einer festen Geschlossenheit auf, die die Bruchstücke ihres Werdens noch Jahrhunderte als Wachstumsmarken mit sich schleppte, sondern sie gelangte mit der deutschen Besiedlung als eine bereits aus- gebildete Aunst ins Land, die hier unter dem Zwange einer unvollkommenen Technik wohl manches einfacher gestaltet, vieles aufgibt, die aber im ganzen doch eine feste Gesinnung bekundet. Aus den Werdetagen der deutschen Aunst, in der sich auf der Grundlage einer alten Hauskunst und im Anschlüsse an die technische Gewandtheit nach­römischer Handwerker eine "lediglich agrarisch-kirchliche Aunstanschauung bilden konnte, ist in der Mark Brandenburg wenig zu finden, und auch dieses wenige bekundet sich als