„ihre“ Angeklagten, ihren Anteil an dem erschütternden Sensationsprozeß.
Was sagt nun der Kurfürst Joachim I. zu der Justiztragödie, die sich unter seinen Augen abrollt?
Sein Vater Johann Cicero hatte ihm einst als letzten Segen ans Herz gelegt, er solle „sich befleißigen, gottes- fürchtig und guttätig zu sein, die Gerechtigkeit lieben, schützen und handhaben, die Untertanen aber in Acht zu nehmen, daß sie von den Gewaltigen nicht unterdrücket werden möchten.“ Unzweifelhaft ist ihm die Judentragödie in seinem Lande unangenehm. Zumal aus wirtschaftlichen Gründen. Als kluger Mann sieht er die Folgen des Prozesses für seine eigene Finanzlage voraus. Als Kind seiner Zeit, die von der wunderbaren Verwandlung der Oblate in den wirklichen Leib Christi und von der Vereinigung des ihn genießenden Gläubigen mit Gott felsenfest überzeugt ist, glaubt er an den Widerstand der Hostie gegen äußerlichen Angriff. Auch er ist von dem Irrwahn seiner Zeitgenossen befangen, die Juden seien christenfeindlich, und zweifelt nicht daran, daß sich ihr Haß in Verletzungen dieses christlichen Allerheiligsten Luft gemacht haben mag.
Zu dem religiösen Motiv kommt bei Kurfürst Joachim noch das politische, vielleicht das wichtigste: seine Rücksicht auf die Stände. Durch sein Vorgehen gegen die adligen Raubritter hatte er diese Herren ohnehin verärgert. Haben sie doch an seine Schlafzimmertür gekritzelt:
„Jochimke, Jochimke, huede Dy,
Fange wy Dy, so hange wy Dy!“
Eine weitere Belastungsprobe — vollends zugunsten der Juden — hätte ihre Geduld kaum vertragen. Daher ordnet Joachim an, alle der Hostienschändung Verdächtigen „in der guth, auch mit der scherff ... nach ordinung der recht und gewohnheit der lande zu inquirieren“.