„In der guth“, also „in Güte“ —? Dazu lassen sich die Untersuchungsrichter keine Zeit. Vielleicht befürchten sie einen Machtspruch des Deutschen Kaisers? In knapp vier Wochen werden etwa hundert Angeklagte verhört, denn es war noch die Anklage wegen Kindermordes hinzugekommen, der — nach den Aussagen auf der Folterbank — sich auf einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckte. Das erste dieser Verbrechen (um 1500) sollen sieben Berliner Juden begangen haben. Im ganzen stehen 16 „Kindermörder“ vor Gericht, 35 wegen der Hostienschändung. In beiden Fällen die reichsten Juden des westlichen Teiles der Mark. Aber noch viele andere werden beschuldigt.
Nachdem der Kurfürst bereits 1508 die gesamte Gerichtsbarkeit in Berlin und Kölln gegen eine Ablösung von jährlich 90 Gulden wieder in die Hände der Ratmannen gelegt und sich nur die Bestallung der Richter sowie die Bestrafung der Münzmeister und der anderen Hofbeamten Vorbehalten hat, übernimmt der Berliner Bürgermeister Hans Brakow die Vollstreckung des Urteils (als oberster Richter hatte der Kurfürst das Verfahren selber geführt).
Am 11. Juli 1510 läßt Brakow das Gericht einläuten. Währenddessen ruft er die Schöffen, Advokaten, Gerichtsschreiber und Zeugen auf. Dann läßt er seine Bestallung verlesen und die Angeklagten — Paul Fromm an der Spitze — ungefesselt vorführen.
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Verhör.
„Ich frage euch: Habt ihr die euch zur Last gelegten Straftaten begangen?“
„Ja“, erschallt es wie aus einem Munde.
„Ich will euch Gelegenheit geben, eure Sache durch Prokuratoren vertreten zu lassen. Wollt ihr?“