Inzwischen hatte der Kurfürst sein Verhältnis den Juden gegenüber einer Revision unterzogen, und zwar auf Grund von Luthers judenfeindlichen Schriften „Von den Juden und ihren Lügen“ und „Vom Schem Hamphoras“. Verärgert über die völlige Teilnahmslosigkeit der Juden seinen Reformbestrebungen gegenüber, war Luther gegen seine anfänglichen Schützlinge scharf losgezogen. Er verlangte, die Regierungen sollen den Juden das Beten untersagen, ihnen ihre heiligen Schriften wegnehmen, ihre Häuser zerstören und ihre Andachtsstätten verbrennen. Die Raubritter hetzte er zu Überfällen auf Juden, die Fürsten zu ihrer Vertreibung auf. Noch vier Tage vor seinem Tode forderte er in einer Predigt ihre Landesverweisung. Noch mehr: da ihm die Judenfreundlichkeit des brandenburgischen Kurfürsten bekannt war, bezichtigte er die Juden in einem Schreiben an Joachim — grundlos — der Alchimie; wenn Joachim auf die „jüdische Tücke“ hereinfalle, werden die Juden alles gewinnen, der Kurfürst aber nichts. Durch seinen Sohn, der bei Joachim II. als Leibmedikus tätig war, hatte Luther von des Kurfürsten alchimistischem Interesse und von den Unsummen, die er für diese zwecklosen Goldmache-Versuche ausgab, erfahren. Juden standen diesem lächerlichen Aberglauben gänzlich fern.
Wie sein sächsischer Kollege Johann Friedrich, hatte auch Joachim II. die Juden aus seinen Landen (1543) ausgewiesen. Es wiederholte sich das alte Spiel: Verjagung Wiederberufung. Durchreisende (d. h. polnische) Juden genießen 1570 wieder den Schutz der kurfürstlichen Gesetze „auf fünf Jahre“. Zunächst in der Neumark und in Schlesien. Aber auch in Frankfurt a. d. Oder., wo die Erlaubnis gelegentlicher, einmaliger „Hantierung“ auf dem Markt wie immer zu einer Beschwerde an den Landesherm führte. Der Kurfürst aber antwortete, er habe den Juden aus Polen das Handeltreiben auf den Märkten seiner Lande erlaubt, weil
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