Achtes Kapitel.
Verheißungsvoller Anfang.
Während jüdische Händler in den Marken ein Jahrhundert lang kaum nächtigen durften, erfreuten sich die Juden in Wien des besonderen Schutzes der Regierung. Voll Ingrimm nahmen die leichtlebigen Wiener den Wohlstand einer von ihnen als fremd empfundenen Bevölkerungsklasse wahr. Neid wurde wach, so daß es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Donaustadt mehrmals zu judenfeindlichen Kundgebungen kam. Den Hinweis der Hofkammer auf die ansehnlichen Steuerlasten der Juden — sie zahlten 1620 allein zu Kriegszwecken 17000 Gulden — beantwortete der Wiener Magistrat mit dem Anerbieten, er werde selber den Steuerausfall decken, wenn die Regierung die Juden ausweise. Der Kaiser aber sah keine Notwendigkeit, einen nützlichen, loyalen Bevölkerungsteil zu vertreiben. Im Gegenteil: beim Herannahen der Türken gestattete er, wie allen bedrohten Bürgern, so auch den Juden, in die innere Stadt zu flüchten.
Unter den Einflüsterungen seines Beichtvaters und durch mancherlei Unglück in der eigenen Familie mürbe gemacht, änderte Kaiser Leopold seinen judenfreundlichen Kurs. Das Verschwinden einer Frau, die — wie man aussprengte — nur von Juden umgebracht sein konnte, gab ihm die Handhabe, dem Drängen der Stände, des Stadtrats, der
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