Die Juden zahlten dem Landwirt für seine Erzeugnisse den „dritten Pfennig“, ja oft die Hälfte mehr als der städtische Geschäftsmann. Unterwegs verhöhnt, geschlagen, oft auch bestohlen, hatte der Hausierer auf den Messen allerlei gekauft. Der Gutsbesitzer brauchte weder Zeit noch Lungenkraft beim Feilschen aufzuwenden (wie in der Stadt bei den Handwerkern und Krämern). Er brauchte nur zu wählen. Überdies kaufte ihm der Hausierer öfters viele Kleinigkeiten ab, die in der Stadt niemand begehrte.
In der Enge des Zunft- und Innungslebens betrachtete die nichtjüdische Bevölkerung, die niemals über das Weichbild ihrer Stadt hinauswanderte, jeden Fremden mit Mißtrauen, wenn nicht gar haßerfüllt, obendrein wenn sie von diesem annahm, daß er Handel und Gewerbe besser verstände als sie selber. Als in der Weihnachtszeit 1685 fünfzig Hugenotten aus Frankreich, „fast nackend und bloß“, durch Magdeburg wanderten, schollen ihnen Hohn- und Spottreden entgegen.
Die Einwanderung der fleißigen, geschickten Hugenotten zeitigte auch in Berlin und in der Mark ein Aufblühen der städtischen Gewerbe. Durch Einführung einer neuen Steuerart, der Akzise, suchte der Große Kurfürst die auf dem platten Lande gewonnenen steuerfreien und darum billigeren Produkte zu schützen. Daher verbot er das Aufkäufen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse am Ursprungsort, wodurch die Landwirte genötigt wurden, Vieh und Viktualien selber in die Stadt zu bringen. Juden waren die Vermittler.
Wie oft wurde der jüdische Hausierhandel verboten! Und doch mußte ihn die Regierung als beachtliche Steuerquelle immer wieder zulassen. Im brandenburgischen Grenzgebiet aus Rücksicht auf den zwischen Polen und Brandenburg bestehenden Handelsvertrag, der die Handelsfreiheit ausdrücklich auch auf die Juden „extendierte“.
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