Zu einer für alle Teile seiner Staaten gültigen Judengesetzgebung ist es unter der Regierung des Großen Kurfürsten nicht gekommen. Einheitlich war nur die Höhe des Schutzgeldes, die Handelsfreiheit auf den Märkten, Messen und in offenen „Buden“, sowie das Verbot der Errichtung von Synagogen. Ebenso wich er nicht von seinem Grundsatz ab, die Fähigkeiten tüchtiger, ehrenhafter Männer zum Vorteil Brandenburgs zu verwerten, auch wenn diese Leute Juden waren. Nach diesem Grundsatz handelte auch sein Sohn, der Kurprinz, der spätere erste König in Preußen, Friedrich I. (Friedrich III.). Dieser schon als Thronfolger sehr prachtliebende Herr hatte einen großen Bedarf an Juwelen, Gold- und Silberwaren. Der Lieferant dieser Wertsachen, Jost Liebmann, hatte bei ihm jederzeit Zutritt. Glückel von Hameln kennzeichnet ihn als den „reichsten Juden von Deutschland“.
Wenn der Große Kurfürst Juden dieser Art seines Vertrauens würdigte, so konnte er deren weniger bemittelte Glaubensgenossen nicht zum Vieh degradieren. Demgemäß hob er (1684) den aus den Zeiten ärgster Demütigung stammenden Leibzoll auf — freilich gegen eine Ablösung in Höhe von 400 Talern. Nur von den meist polnischen Juden, die zwecks Besuchs der Messen in die Mark kamen, wurde eine Abgabe erhoben. Es mußten Juden, die zu Pferde oder zu Wagen reisten, auf dem Hin- und Rückwege 4 Groschen, Fußgänger 2 Groschen entrichten. Mancherlei Abgaben wurden unterschiedslos Juden und Christen aufgebürdet: Brillanten, Perlen und Juwelen wurden mit einem Prozent vom Kostenpreise versteuert.
Als der Große Kurfürst seinen Staat aus der Enge der Naturalwirtschaft in das merkantilistische, geld- und kredit- wirtschaftliche System überführte, bediente er sich der Juden als Mittler bei dieser Umstellung. Jetzt heißt es in
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