noch nicht die vom Religionsgesetz gebotene Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Gotteshauses eigen war — den Christen übrigens auch nicht, denn lutherische und reformierte Geistliche bekämpften einander (wie Pastor Ziethe erzählt) in der Kirche — so kam es im Tempel häufig zu Zank und Streitigkeiten. Um seinen Konkurrenten Magnus zu ärgern, ließ ihm Liebmann am Sabbat „Sachor“ bei der Thoravorlesung vom 2. B. M. Kapitel 17 den ganzen Abschnitt über Amalek vorlesen, um Magnus als den Judenfeind Amalek zu kennzeichnen. Schallendes Gelächter der Gemeinde, die den Spott herausfühlte! Als sich Magnus beschwerte, antwortete ihm Liebmann: „Du bist des Kronprinzen Schalksnarr, und deshalb gebühret dir, daß man allda angefangen hat!“ Liebmann gab an: „Markus hat in der Synagoge gesagt, er will mir einen Possen spielen und dann beim Kronprinzen vortragen, ich hätte gesagt: „Der Kronprinz kommt von dem Amalek her!“ Deshalb hat man die Geschichte vom Amalek vorgelesen“. Magnus belangte Liebmann gerichtlich. Zwei Jahre dauerte der Prozeß, bis ein Machtgebot des Königs beiden Parteien anbefahl, „bey Vermeidung ernster Bestraffung hinführo friedlich und ruhig sich zu begegnen“.
Aus dieser beschämenden Affäre zog Markus Magnus die Konsequenz. Gestützt auf seine ihm 1709 verliehene Würde als Oberältester der Berliner Judenschaft, stellte er sich an die Spitze einer Interessengruppe zwecks Verschmelzung der bisher vorhandenen Synagogen zu einem großen Tempel. Die (inzwischen verwitwete) Liebmannin war nicht gesonnen, „ihre“ Synagoge zu schließen und ging gerichtlich vor. Eine Kommission ward mit der Untersuchung des Tempelstreits betraut. Die Herren waren erstaunt über den dabei zu Tage tretenden Eigensinn „der Handvoll Juden“. Wohlwollend suchten sie die erhitzten Gemüter zu beruhigen und die