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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
125
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Der Frau Liebmann übersandte der König eine Kabinetts­order, worin er sie seines Schutzes versicherte und ihr das Recht auf ihre Synagoge bestätigte. Die streitbare Dame, deren Schwiegersohn an ihrem Tempel Rabbiner war, fühlte sich als Siegerin.

Mit allen Mitteln suchte sie den Bau der Gemeindesyna­goge zu hintertreiben. Als sie sah, daß sie ihn als vollzogene Tatsache hinnehmen mußte, drohte sie, keinÖsterreicher werde ihren Betsaal betreten; die Fremden möchten in die neue Schule gehen.

Als der König im November 1710 angesichts der herein- gebrochenen Winterkälte auf Bitten der Juden eine anbe­fohlene Ausweisung der Unvergleiteten zurücknahm, schrieb der Vorstand der Berliner Gemeinde einen Fast-, Buß- und Bettag für das Wohl des Königs und seines Hauses aus. Beim Gottesdienst verlas der Rabbiner zum ersten Male in Preußen, in deutscher Sprache ein Gebet für den Mon­archen. Dankbar wurde darin auch des genannten Gnaden­aktes gedacht:Gott wolle erwecken in den Herzen des Königs wie auch in den Herzen aller Minister eine Barm­herzigkeit, gnädig mit uns zu verfahren, ... obgleich ein Königl. allergnädigster Befehl ergangen, daß alle in diesem Lande sich befindenden unvergleiteten Juden sich aus diesem Lande an die Orte, wo sie hingehören, begeben sollen, so haben doch Seine Königl. Majestät unser aller­untertänigstes Flehen und Bitten sich allergnädigst vortragen und uns Dero angeborene hohe königliche Gnade genießen, auch allsofort einen Befehl ergehen lassen, daß gedachte Juden an ihren Orten ruhig sitzen bleiben sollen, und wollten Seine Königl. Majestät nicht, daß selbige bey jetzigen Zeiten sollten ins Elend gejaget werden.

Der Liebmannsche Tempel blieb alsPrivatminjan weiter bestehen. Die Gemeinde aber legte Anfang Mai 1712