Zehntes Kapitel.
Umkämpftes jüdisches Schrifttum.
Seitdem der Dreißigjährige Krieg bei den Protestanten eine Abkehr von weltlichen Dingen und eine — oft überschwängliche — Glaubensinnigkeit gezeitigt hatte, die ihren Ausdruck in den Liedern eines Paul Gerhardt und in den vom Grafen Zinzendorf ins Leben gerufenen Herrnhutergemeinden fand, begannen christliche Theologen sich lebhaft mit dem Judentum zu beschäftigen. Es leitete sie oft die Absicht, den Nachweis von der Überlegenheit des christlichen Glaubens über den jüdischen zu erbringen und die Juden der herrschenden Kirche zuzuführen. Sie studierten den Talmud und die Geschichte der Juden. Die Bibelkritik setzte ein.
Im Jahre 1695 veranstaltete der Buchdrucker O. Be ck- mann zu Frankfurt a. d. O. eine Talmudausgabe, die auf der vom Vatikan (1581) genehmigten, von mißverständlichen Stellen befreiten Fassung beruht. Friedrich I. und seine Nachfolger, auch die Kaiser Leopold I., Joseph I. und Karl VI. sowie der König August der Starke erteilten dem Verlage ein Privileg. In den Jahren 1715—1721 besorgte auch der gelehrte Berliner Hofprediger Jablonsky — hauptsächlich zu Studienzwecken für christliche Theologen — eine Ausgabe des Talmud, welche der Berliner Buchdrucker Levin David, auch Juda Neumark genannt, verlegte. Aus seiner Offizin gingen auch hebräische Bibeln, mit und ohne Vokalzeichen, hervor.
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