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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
135
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Der oben gekennzeichnete Bekehrungseifer wies hier und da einen Erfolg auf. Es fanden Übertritte statt, allein wie Ordensrat König behauptet niemals aus Überzeugung, sondernentweder aus Gewinnsucht, aus Haß und Rache gegen ihre Mitbrüder, denen sie Unglück zu bereiten suchten, um sich dadurch entweder zu rächen oder Ansehen bei den Christen zu verschaffen. Die alte Erfahrung, daß die getauften Juden sich fast immer zu argen Judenfeinden auswachsen, fand auch in der Mark Brandenburg ihre Be­stätigung.

In der Weihnachtszeit 1702 zeigte ein ehemaliger Jude, Christian Kahtz, an, die Juden pflegen in diesen hei­ligen Tagen Jesum zu lästern und als Anweisung hierzu ein im Besitz des Berliner Juden Spielmann Lewi befind­liches hebräisches BuchMaassé Tolui zu benutzen. Darauf­hin ließ die Regierung durchLandreuter eine Verfügung ausklingeln: Die Juden haben sich hinfüro solcher Läste­rungen zu enthalten!

Unter wachsender Erbitterung horchte die Bevölkerung auf. Jeden Augenblick konnte sich das heraufziehende Ge­witter in furchtbaren Ausschreitungen entladen. ln Stadt und Land waren die Juden ihres Lebens nicht mehr sicher.

Unterm 4. Januar 1703 erließ König Friedrich I. eine Ver­fügung an sämtliche Behörden seiner Staaten:Ihr habt die Juden gegen Gewalt und öffentliche Kränkungen zu schützen. Ich habe bereits Meinem Rat und dem Advocato Fisci auf­gegeben, die wider die Juden vorgebrachten Beschuldigungen mit Zuziehung einiger Theologen auf das Genaueste zu untersuchen, und will Ich, so dieselben wahr befunden wer­den, die Juden nach Gebühr scharf bestrafen, jedoch nicht zugeben, daß Mir von Partikulairpersonen in Meinem höchsten obrigkeitlichen Amte Eingriffe geschehen.

Kahtz bekam einen Eideshelfer in der Person eines an­deren getauften Juden, Franz Wenzel, in Küstrin.