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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
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treffen. Wenn die gelehrten Herren sich einmal Befugnisse anmaßten, die nur der Regierung zukamen, gabs einen Rüffel.

Wie Friedrich Wilhelm I. evangelische Geistliche ohne Befragung der betr. Gemeinden berief, so bestimmte er auch in der Jüdischen Gemeinde einmal eigenmächtig einen erst zwanzigjährigen Talmudjünger, M oses Aaron aus Leipnik, nach der Erledigung des Rabbinats zum geist­lichen Führer. Der Widerspruch des Vorstandes, Aaron sei noch zu jung, niemand kenne ihn, blieb erfolglos. Aaron machte sich bald mißliebig; er wurde sogar gegen ange­sehene Gemeindemitglieder handgreiflich. Als die Gemeinde unter der Hand einen neuen, geeigneteren Rabbiner, Esa- jas Hirschel, gefunden hatte, übernahm Aaron die Rabbinerstelle in Frankfurt a. d. O. Seine Wirksamkeit in Berlin hat nicht die leiseste Spur hinterlassen; die Gemeinde­behörden haben sogar in ihrem Protokollbuch den Entwurf zur Berufungsurkunde für ihn durchgestrichen.

Die Regierung hielt den jüdischen Gemeindevorstand zur Ordnung an. Er mußte die Protokoll- und Rechnungsbücher in hebräischer oder in deutscher Sprache mit hebräischen Buchstaben führen. Bei Abstimmung entschied die einfache Mehrheit. Der Regierung verantwortlich für pünktlichen Eingang der Schutz- und anderen Gelder, mußte der Vor­stand jederzeit eine Liste der Gemeindemitglieder zur Hand haben, vor allem aber darüber wachen, daß kein Unverglei- teter das Wohnrecht in Anspruch nahm. Der Termin der Steuerentrichtung wurde fünf Wochen vorher im Tempel bekannt gemacht. Hatte ein Mitglied acht Tage nach Ablauf der Frist noch keine Zahlung geleistet, durfte der Vorstand zurExekution (Pfändung) schreiten. Säumige Zahler und Leute, deren Lebensführung beanstandet wurde, schloß der Vorstand von der Belieferung mit Mazzothmehl aus, doch

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